Warum Pfingsten?
Von Frank Sacco Juni 2000
Pfingsten wird gefeiert. Und wir haben zwei Tage zusätzlich frei. Oder besser: Einen. Den Montag. Der Geist Gottes kommt heran. Zu uns. Meine Schwester sagte schon während ihres Theologiestudiums: „Der Heilige Geist ist die Liebe.“ Wir werden sehen, was man als Kirchenleitung aus dieser Liebe gemacht hat. Andere Religionen, das fällt auf, haben kein Pfingsten. Sie haben keinen derartigen Geist im Programm. So kommen Judentum und der Islam völlig ohne einen Heiligen Geist aus, obgleich sie dem Christentum doch zum Verwechseln ähnlich sind. Auch die Bibel hat das Steinigen im Programm. Und den Gottesbefehl zum Töten Homosexueller. Sie ist Menschenwerk.
Pfingsten erklärt sich aus dem Schock der ersten Christen. Ihr Gott war am Kreuz gestorben. Der, der die Juden vom Joch der Römer befreien sollte, war plötzlich tot. Was tun? Nichts liegt näher, als ihn von den Toten auferstehen zu lassen. So „erscheint“ er plötzlich den Jüngern, kurz nach Ostern. Er war wieder da, als wenn nichts geschehen wäre. Da es eine Auferstehung von den Toten nicht gibt, hat man sie sich erschaffen. Den Glauben daran entlehnte man gern von den Ägyptern: Thema Mumien. Der Irrtum, Jesus würde zu Lebzeiten sein Werk vollenden können, war kein Irrtum mehr. Helmuth Schmidt indes glaubt nicht an die Auferstehung. Und er sei trotzdem Christ. Er wird auch nicht an das KZ Hölle geglaubt haben. Also: Zur Absicherung des neuen Glaubens erschuf man sich als Hochintelligenz einen Geist. Was da im Brausen kam, nannte man Jesu Geist. Im Monotheismus haben wir plötzlich drei Götter. Dem Dogma nach sind es drei „Personen“, aber „ein Wesen“. Der Monotheismus war gerettet.
Den Vorteil eines Geistes sah man in der Unmöglichkeit, ihn zu kreuzigen und erneut einen Gott zu verlieren. Um diesen Schachzug in Beton zu gießen, mussten zwei Dinge her: Einmal das Wunder: Die Pfingstler konnten plötzlich fremde Sprachen sprechen und verstehen. Schmidt glaubt nicht an Wunder (1). Als zweites kam das strikte Verbot, nicht an diesen Geist zu glauben. Dieses Verbot wird auch gleich in Beton gegossen: Wer nicht an den Geist glaubt, versündigt sich gegen den Heiligen Geist. Auch wer sich im Umgang mit dem Heiligen daneben benimmt, kommt ins Feuer der EKD. Ihm wird nicht vergeben, weder in dieser noch in jener Welt. So sehr hochintelligent man ist, so sehr versteht man sich auch aufs Lügen und auf Brutalität. Das ist die wirkliche Dreieinigkeit in einer Religion, die es zur Weltreligion geschafft hat. Geist hatten Gott und Jesus ja schon vor Pfingsten. Wir alle haben Geist.
Der Heilige Geist kommt also ohne Jüngstes Gericht aus. Er handelt ohne Gericht, also ungerecht. Er handelt sogar ohne Standrecht. So ist die Angst vor ihm größer als die vor dem Jesus in der Bibel, der ja schon für sich nicht gerade zimperlich ist, was Strafen angeht. Er straft nach der EKD mit ewiger Feuerfolter (2). Das Üble mit den Foltern bestätigt uns der Benedikt vom Inn im Jahr 2000, das er zum Heiligen Jahr ausruft. Wer bei Jesu Foltern zusehe, könne „vor Grauen sterben“, wenn die „Allmacht Gottes“ dieses Sterben nicht verhindere (3). Sein Nachfolger Franziskus ist wie jeder Papst ebenfalls Fundamentalist. Er predigt, wir müssten „noch mehr beten“, damit „noch mehr Seelen gerettet werden“. Zugegeben: Die Schuhfarbe und der Schuhlieferant des neuen Papstes sind anders. Das war auch dringend notwendig, nach Benedikt aus Marktl am Inn. Der schreibt uns noch als junger Kardinal: „Die Hölle ist überwunden.“ Als Papst lässt er dann das ewige KZ wieder auferstehen. Diese Wendung habe er nach den Studentenunruhen 1968 für nötig befunden, erklärte mir jemand, der ihn gut kennt: Dr. Manfred Lux aus Celle. Lux studierte Theologie und wurde Chirurg. Wir sehen uns bestätigt: Die Hölle ist Politik. Glaube ist Politik. Das Über-Ich Gott ist eine Außendienststelle der herrschenden Ordnung. Was dem Staat verboten ist, hier das Foltern, überlässt er gern einem „Gott“.
Die härteste psychische Erkrankung, die wir Psychotherapeuten kennen, resultiert aus eben der Pfingstsache. Sie resultiert aus dem Glauben, sich gegen den Heiligen Geist versündigt zu haben. Mit 23 Jahren, ich famulierte unter Prof. Bürger – Prinz an der Uni Hamburg, traf ich erstmals auf einen solchen Patienten. Zweimal in der Woche erhielt er statt Gesprächen Insulinschocks. Ich war über Wochen sein ständiger Begleiter. Er war sich sicher, in ein ewiges Feuer zu kommen. Gott ist doch kein Nazi, sagte ich ihm. Er hatte eben das geglaubt. Er hatte an den Nazi Christengott geglaubt. Tausenden geht es ähnlich. Tausende sind Pfingstopfer. Es gibt also keinerlei Anlass, zu Pfingsten fröhlich zu feiern. Es sei denn, wir feiern, weil wir frei haben.
(1) Helmut Schmidt in „Religion in der Verantwortung“
(2) Bischof N. Schneider in „Von Erdenherzen und Himmelsschätzen“,
(3) Heiligsprechung der Höllenbesucherin Faustine durch Benedikt