Im Religionsunterricht
In der letzten Woche kamen zwei Kinder mit Bauchschmerzen in die Praxis (2/2015). Die Frage war, was machte diese Bauchschmerzen. „Habt ihr Religion“, so meine Frage. Ja. Die Kinder gehen in die 3. Klasse. „Die zehn Plagen?“ „Ja“, so die Kinder. Als zehnte Plage tötet ein endlos grausamer und ungerechter Gott in der Bibel die männlichen erstgeborenen Kinder jeder ägyptischen Familie und jedes erstgeborene Vieh. So ein verrückt sich aufführender Gott macht schon Bauchschmerzen. Hier sollte jeder Arzt dagegenhalten und die Bibel vor dem Kind als ein orientalisches Märchenbuch betiteln. Das tat schon Friedrich der Große. Ich sage den Kindern dann, Gott habe noch niemals etwas Schlechtes getan, z. B. einem Kind ein Leid angetan. Er sei ja die Liebe. Schlechte und gute Menschen hätten in die Bibel geschrieben. Und über die zehn Plagen habe ein schlechter Mensch geschrieben. Wenn ein Geistlicher in einer Kirche behaupten darf, die Bibel sei Gottes Wort, so dürfen (oder müssen) Ärzte in ihrer Praxis das gerade Gegenteil behaupten. Ich mache dann gern ein Rollenspiel mit den Kindern. „Wenn ich Gott bin, und will die Juden aus Ägypten ausreisen lassen, dann gebe ich den Ägyptern eine Narkose. Dann können die Juden in Ruhe packen und in eben solcher Ruhe ins gelobte Land reisen. Dann wecke ich die Ägypter wieder auf.“ In einem Nachbarort ereignete sich ein ähnlicher Fall. Auch hier ging es um die Plage Nummer 10. Ich frage auch regelmäßig, ob die Sintflut oder Sodom und Gomorra im Religionsunterricht durchgenommen werden. Auch hier ist kräftig dagegenzuhalten. Die Storys lästern dem Gott der Liebe.
Schule ist Sache des Staates. Er hat an sich darüber zu wachen, dass Kinder während der Schulzeit nicht seelisch geschädigt und sterbenskrank werden. Er wacht aber nicht. Er wird im Gegenteil schuldig an schwersten psychischen Erkrankungen. Eine Quelle, die ich als Beispiel angebe, sind die vier „Erzählbücher zum Glauben, Für Religionsunterricht, Familiengottesdienst und Familie und für den Kindergottesdienst, bei Benziger / Kaufmann. Dieses Standardwerk habe ich 2010 in der Bücherei ausgeliehen. Von diesen Büchern war ich zunächst angenehm überrascht. In der Einführung wird praktisch eingestanden, dass kindgerecht und bibelgerecht sich in weitem Sinn ausschließt. In Band I werden moderne Alltagsgeschichten erzählt, so auch von Ingeborg Bachmann. Sie beschäftigen sich im Grunde mit christlicher Ethik und begleiten das Kirchenjahr. Der Karfreitag ist endlich einmal wohltuend ausgespart. Kindgerecht lässt sich die Geschichte wirklich nicht erzählen und Rollen-„spiele“ haben abstoßenden Charakter und machen tatsächlich krank.
Etwas später kann jedoch ein Verfasser in Band I nicht davon lassen, eine Geschichte „Vom Himmel und Hölle“ zu erzählen, die einzige übrigens im Buch. Der Biblische Kontext wird mit der Offb. 1,17.18 (das angebliche Jesuwort wird zitiert: „…ich habe die Schlüssel zu Tod und Hölle“) und Lk16,23 („Und als er nun in der Hölle und in der Qual war, hob er seine Augen auf…) angegeben. Petrus tröstet zwar in der nachfolgenden Geschichte einen in die Hölle gestoßenen Reichen „dass die Sünder jetzt immer noch gebraten werden wie früher…. Das ist schon lange nicht mehr“, aber der Mann wird dennoch „entsetzlich lang“ in Isolationshaft gehalten: Für 3000 Jahre. Das ist Sadismus pur. Der Reiche „hätte es bequemer haben können“, bequemer als 3000 Jahre derartiger Folter, so sagt ihm Petrus am Ende der Story, als dieser an den Aussagen der Bibel vorbei, dann doch noch in den Himmel überwechseln darf.
Auch im Religionsunterricht bleibt es demnach bei der Hölle, der Folterhölle Jesu, dem Rachegott Jesus. Nur der Kochtopf ist plötzlich verschwunden. Die angegebene Geschichte bescheinigt aber unseren Kleinen, Gott habe tatsächlich in der Hölle gebraten oder braten lassen. Das sei aber „schon lange“ her. Hier wird Gott entwürdigt und wie so oft von Theologen und Geistlichen als Hitleräquivalent dargestellt. Unseren Kleinen wird ein verrückter Gott vorgesetzt, der je nach Gutdünken seine Bratpfanne auch wieder aktivieren mag und der nur nach Auschwitz und durch Auschwitz den flüchtigen Schock bekommen haben mag und die Einsicht, Folter sei wohl doch nicht das optimale Strafmittel.
Zum Glück ist Gott ganz anders zu verstehen, als es hier im Unterricht gelehrt wird: Er ist die bedingungslose Liebe. Es leuchtet uns jetzt aber ein, warum sein Name im jüdischen Vorläufer unserer Christlichen Religion nicht ausgesprochen werden darf und auch wir ihn nach Kirchendoktrin nicht ohne triftigen Grund aussprechen dürfen. Wenn Gott nicht als solcher benannt werden darf, kann man auch seine Kochkünste nicht erwähnen bzw. kritisieren. Kritiker, wenn es denn solche gibt, landen im Folterkeller „Gottes“. Die Hölle ist indes ein erfinderischer Schachzug unserer führenden Geistlichkeit zum Machtausbau. Für viele Kinder bedeutet das: Schach matt und (über unsere sich unwissend stellenden oder tatsächlich unwissenden Psychiater) die stationäre Einweisung – oft für den langen Rest ihres Lebens. Hier wird das Schachspiel der Kirche zum eklatanten grausamen Verbrechen.
Helmut Schmidt äußert sich in der Zeitung Die Welt am 14.4.2011 kritisch über die Diskrepanz zwischen dem offiziellen Bekenntnis der Religionen zu Gewaltlosigkeit und der Praxis ihrer „Führer“. Nur „in geringem Maß“ hielten sie sich an die eigene Norm, so Schmidt. Treffender kann man es nicht ausdrücken. Er halte Distanz zur Kirche. Er ließ mir für eine kirchenkritische Schrift danken und schrieb ein hervorragendes Buch: „Religion in der Verantwortung“.
So nebenbei: Reiche sind oft geizig. Sie geben nichts her. Geiz ist psychoanalytisch gar keine Sünde. Ich stufe sie eher als eine Krankheit ein, die den Geizigen durch ihre Folgen schädigt. Er, der Geldgierige, ist blockiert, etwas geben zu können. Meist ist es tradiert von den Eltern. „Genetisch vererbt“ würden Psychiater heute behaupten. Eher ist es neurotisch, also erlebnisbedingt. Geiz ist eine durch Lebensangst entstandene Neurose. Geizigen ist mit einer kurzen Psychotherapie im Himmel mehr gedient als mit einer 3000-jährigen Isolationshaft in „Jesu“ Folterhölle. Das Jüngste Gericht ist gar kein Gericht. Es ist allenfalls ein „Gerechtmachen, ein uns richtig machen“. So drückte es meine Schwester während ihres Theologiestudiums aus. Und sie sagt es noch heute. Und noch jemand aus der Familie war dieser Meinung: Als Leiter einer Inneren Mission in Hannover.
In Buch IV kann die „moderne“ Schule dann aber auch von der fundamentalistischen Sühnetheorie und der Entwürdigung Gottes nicht lassen. Ein Gebet wird auf Seite 397 angeführt: „Gott, der barmherzige Vater, hat durch den Tod …seines Sohnes die Welt mit sich versöhnt und den Heiligen Geist gesandt zur Vergebung der Sünden. Amen.“ Auf der vorhergehenden Seite wird man deutlich: „Allmächtiger Gott, barmherziger Vater. Ich armer Sünder bekenne Dir all meine Sünden und Missetat… womit ich Dich erzürnt habe und Deine Strafe wohl ewig verdient habe. … und ich bitte Dich im Vertrauen auf das unschuldige, bittere Leiden und Sterben Deines lieben Sohnes… Du wolltest mir armen, sündhaften Menschen gnädig und barmherzig sein.“ Jesus „gab sich für uns hin, opferte sich für die Menschen auf….“ Später im Text: „Dann ging er hin, zu sterben…, gab, Heil uns zu erwerben, sich selbst zum Opfer hin.“ Urteilen Sie selbst, lieber Leser: Werden hier Kinder, wird hier der bedingungslos liebende Gott in unseren Schulen unter ermangelnder Staatsaufsicht im Religions- oder Ethikunterricht missbraucht?
Eine achtjährige Patientin aus dem Nachbarort, ein sensibles Kind mit Hautproblemen, fiel in der Schule wegen mangelnder Konzentration auf. Sie wurde zur Bettnässerin. Im Religionsunterricht, so berichtete mir der irritierte Vater, ein 29-jähriger Sozialarbeiter, seien die 10 Plagen durchgenommen worden, die Bibelgott den Ägyptern geschickt habe, weil der ägyptische König die Israeliten nicht ausreisen ließ. Diese grauenhafte Geschichte steht „ganz normal“ auf dem Lehrplan. „Gott“ selbst verspricht Moses, die Ägypter zu strafen. Er schickt eine lange Dürrephase. Das unschuldige Vieh muss verdursten, die unschuldigen Tiere bekommen die Pest, die Ernte der unschuldigen Ägypterbauern wird durch Hagel und Heuschrecken komplett vernichtet, „Gott“ ermordet in jedem Haus der Ägypter den jeweils ältesten und völlig unschuldigen Sohn. Dass die zehn Plagen unsere Kleinen plagen, ist bei Religionslehrern noch nicht angekommen.
Heute wissen wir Kirchenkritiker um den Unsinn der Geschichte. Gott denkt sich keine „Endlösungen“ aus. Er ist kein Despot. Die Plagen waren einfache Naturkatastrophen. Wäre es Gott gewesen, der den Israeliten „geholfen“ hätte, so hätte dieser Gott ihnen auch in Auschwitz geholfen, sogar helfen müssen. Außerdem ist der wahre Gott gerecht und hätte den König der Ägypter bestraft, den eigentlich Schuldigen. Er bestraft und ermordet aber in obiger Story als angeblich Gerechter die völlig Unschuldigen. Hätte Gott die Ausreise Israels ohne Blutvergießen gewollt, hätte er ihnen ein Luftschiff schicken können. Aber heute wissen wir noch mehr über Gott: Er straft gar nicht. Er ist die Liebe. Ludwig Feuerbach sagt uns dazu, das Bösartige an Bibelgott sei nichts anderes als „ins Jenseits projizierte menschliche Eigenschaft“, also die Charakterzüge einer oft düsteren und grausamen Geistlichkeit.
Zu wem sollte ich das Kind zur Psychotherapie überweisen? Zu Psychiatern etwa, die „transzendentalen Denkens“ unfähig sind? Die von Kirche „nichts“ verstehen, wie sie offen zugeben? Die keine religiösen Anamnesen mehr erheben? Die sich in die Seele von Kindern nicht mehr hineindenken können? Die nicht herausbekommen, dass die 10 Plagen für unsere Kinder tatsächlich eine Plage sind? Die bettnässenden Kindern schlicht eine Klingelmatratze verordnen? Aber man muss und wird auch von psychiatrischer Seite her das Sprechen über Religion wieder erlernen. Ich helfe da gerne. Der hinzugezogene Pädiater verschrieb dem Kind vorschnell ein Betäubungsmittel.
In der Zeitung „Die Welt“ vom 31.12.2010 wird die Familienministerin Kristina Schröder zitiert. „Wir wollen schließlich einen deutschen Islam“, sagt sie. Sie meint damit einen Islam, der sich in Lehre und Ausführung an die deutschen Gesetze hält und Kinder nicht bedroht. Jeder hat die Bilder vor Augen, die zeigen, in welcher Weise die Suren Kindern bis zur Auswendigkeit gelehrt werden. Durch die heiligen Suren wird die Hölle als Glaubensrealität vermittelt: In Sure 4 wird dort die Haut immer wieder am lebendigen Leib verbrannt und nach jedem Brand für den nächsten regeneriert. Dass so ein Kind derartige Qual vermeiden möchte, und die einfachste und schnellste Methode dazu ist nun einmal der Sprengstoffgürtel, leuchtet uns ein. Bibel und Islam gehören so lange nicht zu Deutschland, wie sie nicht rechtskonform sind.
Kristina Schröder sollte aber auch für ein deutsches Christentum eintreten. Es ist nicht deutsch, da es nicht unserer Leitkultur entspricht. Es ist in schlechtem Sinn fundamentalistisch und als ein, wie Friedrich der Große weiß, orientalisches Märchenbuch, ein Import vom Mittelmeer. Der „Evangelist“ Matthäus steckt die Sünder im Namen Gottes (!) und zum autistogenen Erschrecken für unsere Kinder tatsächlich in einen „Feuerofen“, bis die Haut gar ist. Auch bei Matthäus regeneriert sich diese Haut wieder in der Absicht, sie erneut Jesu Ofen aussetzen zu können. Da kommt unseren Kleinen dann die Ewigkeit oft so lang vor, dass sie sich lieber von dieser Erde, von ihren Eltern ganz zurückziehen. Sie verstummen, für uns alle verständlich, in der Defektheilung Autismus.
Nicht umsonst haben wir aber den § 241 im Strafgesetzbuch, der Drohungen verbietet weil Bedrohungen Angsterkrankungen erzeugen. Ein Psychiater, der nach diesem Buch die Folgen einer derartigen Bedrohung nicht sieht und nichts einsieht, sollte seine Approbation zurückgeben. Folterandrohung ist auch nach Art. 1 GG (Würde) streng verboten.
Die allerschrecklichste Bedrohung, die Bedrohung mit Folter, soll aber unseren Kirchen nicht untersagt sein, weil sie „sozialadäquat“ sei, so die Staatsanwaltschaft Hannover in Antwort auf meine Strafanzeige. Auch das wird sich mit diesem Buch ändern.
Papst Benedikt XVI. ist meiner Meinung, wenn er sagt: „Wir haben gesehen, dass es Pathologien in der Religion gibt, die höchst gefährlich sind und die es nötig machen, das göttliche Licht der Vernunft sozusagen als ein Kontrollorgan anzusehen…“
Wünschen wir uns etwas von diesem göttlichen Licht in unserer Religion. Wünschen wir uns ein neues Gottesbild, zu dem man mit Vernunft „Ja!“ sagen kann. Siehe dazu das Kapitel „Die Neue Religion“.