Die Angst Sigmund Freuds – die Angst unserer Psychiatrie
von Frank Sacco
Vorwort Müller: Frank Sacco, Doktor der Medizin, schreibt zu diesem Artikel: Eine Psychoanalyse konnte bisher nicht zu der eigentlichen und größten Angst der Menschen vordringen, da diese Angst nicht analytisch thematisiert wurde. Eine „Psychoanalyse“ wirkte deshalb bisher nur über eine Ich-Stärkung. Die hier vorliegende Psychoanalyse Sigmund Freuds macht eine individuelle Analyse der „größten Angst“ (Karl Jaspers) des Menschen überflüssig. Man kann sie beim Erkrankten voraussetzen und sogleich ad absurdum führen (Foto: Sacco).
Die Angst Sigmund Freuds – die Angst unserer Psychiatrie
Ja, „Angst“ war es, schreibt Freud an Jung am 17. Febr. 1911, die ihn in seine diversen Ohnmachten schickte. Und niemandem war bisher eindeutig, worin diese Angst bestand. Erst ein Internist muss Freuds Innenleben posthum klären. Ein Stück eigener „Neurose“ sei es, und an der müsse man „arbeiten“. Das äußert der erwachende Freud. Das Internet klärt uns auf. Nach einer Eingabe „Ohnmachten Sigmund Freund“ werden die Situationen beschrieben, die den Analytiker auf die Bretter schickten. Freud fiel nicht in Ohnmachten, wenn von Kastrationen die Rede war, sondern wenn die Sprache auf das Umbringen von Göttern kam. Freud hatte ja mit seinen Äußerungen, Religion sei Wahn, ja ein Massenwahn, und sie sei eine kollektive Zwangsneurose, seine beiden Kindheitsgötter Jahwe und den Christengott umgebracht. Er hatte damit die größte Sünde für einen Juden begangen. Zwei Götter sind die von der Tiefenpsychologie bisher vergeblich gesuchten „Leichen in Freuds Keller“. Selbst Freud ist der Zusammenhang seiner Neurose mit Leichen eindeutig gewesen (Brief an Ferenczi vom 9. Dez. 1912). Es waren aber, Gott sei Dank, keine wirklichen Leichen. Schon Zeus war eine Erfindung skrupelloser Geistlicher.
Freud wuchs bireligiös auf. Seine jüdische Mutter erinnerte ihn an sein katholisches Kindermädchen: „Sie hat dich in alle Kirchen getragen; wenn du dann nach Hause gekommen bist, hast du gepredigt und erzählt, wie der liebe Gott macht.“ Nun, lieb war und ist dieser „Gott“ nun so gar nicht. Immerhin hat er mit der Sintflut den ersten Holocaust mit über 6 Millionen Ertränkten begangen. Und er hält ein Dauer-Lager vor: Die Folter-Hölle. Unter Jesus sei es in diesem KZ (Diktion Hürlimann) schlimmer als unter Hitler, schreibt unseren Kindern der Kirchenautor Hans-Werner Deppe, betanien-Verlag. Dessen Partner ist das Erzbistum Paderborn. Der kleine Sigmund war in und nach seinen Kirchenbesuchen dem grausamsten aller bisher bekannten ca. 8 Millionen Götter ausgeliefert: Unserem Bibelgott. Und der mag spätestens nach Jesu Kreuzestod, veranlasst durch Juden, Angehörige jüdischen Glaubens so gar nicht. Ein jüdisches Kind darf man mit ihm, dem erklärten Antisemiten und Lehrmeister Luthers in Sachen Judenhass, nicht alleine lassen. Der Gott im NT droht neunmal mehr mit einer Feuerhölle als sein viel harmloserer Vorgänger, der kinderlose Jahwe. Und er trieb letztlich Freud über starke Schuldgefühle in den Tod: Die Angst vor einer Gottesstrafe hatte über ein Sacco-Syndrom Freuds unbändige Nikotinsucht mit der Folge eines Mundhöhlenkarzinoms ausgelöst.
Freud ermordete mit dem Satz „Religion ist Wahn“ seinen Gott Jahwe allerdings nur in seinem Oberflächenbewusstsein. Er blieb wie auch der Gottesmörder Nietzsche („Gott ist tot“) gläubig, konnte und mochte aber diese tiefe Gläubigkeit weder bei sich noch bei seinen Patienten erkennen. Für sein eigenes Unbewusstes ist man betriebsblind. Seine spektakulärste Ohnmacht fand während des Psychoanalytischen Kongresses in München 1913 statt. Der Vortragende Jung erklärte gerade, Pharaonensöhne hätten regelmäßig ihre Väter (Götter) getötet, um sich selbst zum Gott zu machen. „In diesem Augenblick ist Freud ohnmächtig vom Stuhl gesunken“, so Jung. Der Grund: Die plötzliche Erinnerung Freuds an seine „Sünde“, seinen eigenen Gottesmord. Seinen Doppelmord. „Man bringt keine Götter um, an die man nicht glaubt.“
Zu offensichtlich mied der Analytiker die zentralen schmutzigen Themen seiner Religion wie Jüngstes Gericht und ewige Qualen in einer Hölle, also die politisch und im Eigennutz erdachten Erfindungen, die unsere Geistlichen bei den Kindern dieser Gesellschaft mit so großem Erfolg bereits im Kindergarten zu einer „Glaubensgewissheit“ erheben. Darum hat man sie sich ja etabliert, die christlichen Kindergärten. Der vermeintliche „Atheist“ Freud war, was ihm nicht bewusst war, in seinem Urgrund streng gläubig. Weitere „Sünden“ gegen seine Kindheitsgötter ließ Freuds Unterbewusstsein nach seinen Gottesmorden nicht mehr zu. Das Maß der „Sünde“ war voll. Derartige „Frevel“ hätten darin bestanden, offen fundamentale Religionskritik zu äußern und Patienten die Ursache ihrer Erkrankungen als Verbrechen der Terror-Kirchen an ihnen darzulegen. Immerhin schreibt Deppe unseren verschreckten Kindern, es könne in der Hölle sogar heißer sein als irgendwo auf der Erde, nämlich „6000 Grad“. Kirche und Bibel, und das sage ich in meiner Funktion als geweihter Priester, sind das Gegenteil von Gott. Für mich nahezu unerträglich sind Freuds Lobpreisungen unserer Religion bzw. der Kultur in seinen Schriften „Die Zukunft einer Illusion“ und „Das Unbehagen in der Kultur“. Die Erstarkung des Über-Ichs sei ein „höchst wertvoller psychologischer Kulturbesitz“. Das, was ich in meiner täglichen Praxis unternehme, nämlich Gläubigen ihre sie krank machende Gläubigkeit in der analytischen Therapie zu „entreißen“, sei gar eine „Grausamkeit“ (in „Die Zukunft einer Illusion“). Der Klient fühle sich dann nicht mehr als „Objekt zärtlicher Fürsorge einer gütigen Vorsehung“. Nun, gibt es eine zärtliche Güte bei ca. 6000 Grad Celsius? Bei der Vorstellung dieser Hitze gerät nicht nur Freud in eine religiöse Denkhemmung. Dabei sollte sich kein Therapeut scheuen, seine Klienten vor einer Hitlerfigur zu retten. Mit seinen Theorien führte Freud die Psychiatrie bis heute in eine diagnostische und therapeutische Sackgasse. Fatal an der Entwicklung: Freud übertrug seine Angstneurose auf die nachfolgenden Generationen von Psychiatern und Analytikern. Diese schließen sich nämlich in ihrem Studium Freuds Statement, Religion sei Wahn, beherzt, überglücklich, aber viel zu naiv an. Die klerikal als „Sünden“ eingestuften Verhaltensweisen Atheismus und Agnostizismus bekommt man in einer Vorlesung über Freud nicht geschenkt. Man muss sich diese Einstellungen gegen sein Unbewusstes erkämpfen. Das dauert einige Zeit.
Wie intensiv unsere Therapeuten, ohne es zu begreifen, durch die Einführung des Sündenbegriffes der Kirchen Arbeit bekommen, sei hier erläutert: Die 260 klinischen Fälle, die Sigmund Freud in seiner „Psychopathologie des Alltagslebens“ anführt, lassen sich ausnahmslos in die vier „Sünden“ nach der Bergpredigt ordnen: 57 x Lügen, 122 x Egoismus, 39 x sexuelle „Verfehlungen“, 42 x Lieblosigkeit. Das ermittelte Tournier. Nur ein Beispiel: Freud deutet seinen spektakulären Fall der „Elisabeth von R.“ falsch. Das Mädchen Elisabeth liebte den Ehemann ihrer Schwester. Diese starb. Am Totenbett ihrer Schwester kam ihr der Gedanke: „Nun ist er frei und kann dich heiraten“. Es entwickelte sich bei der Patientin eine schwere Neurose mit hysterischen Schmerzen. Nun, ihr Gedanke am Totenbett ist nur zu menschlich. Auch ist man für Gedanken strafrechtlich und speziell als Kind völlig unschuldig. Anders in der Religion. Der Christengott erst erfindet Gedankenlesen und straft ethisch nicht einwandfreie Gedanken als schwere Sünden. So hat das Mädchen doch „Freude“ über den Tod der Schwester schon am Totenbett empfunden. Religiös ist so etwas Selbstsucht und Lieblosigkeit. Für Gedanken könne „man doch nichts“, beschwichtigt Freud seinen Patientinnen und versuchte, sie auf diesem Weg zu heilen. Doch Freud hat diese Rechnung ohne den Wirt gemacht. Der Christengott ist da völlig unnachsichtig. Die Bibelschreiber lassen ihren Jesus äußern, es sei besser, sich eine Hand abzuhacken oder ein Auge auszureißen, als durch einen sündigen Gedanken in seine ewige Hölle, in sein ewiges „höllisches Feuer“ zu kommen (Diktion der Bergpredigt).Aus dem Zimmermannssohn Jesus macht die Bibel eine Hitlerfigur, vor der man sich, speziell als Kind, nur grausen kann. Doch nach dem Dogma sollen sie diese Figur, die einmal der Täter des Holocaust Apokalypse sein wird, auch noch lieben! Wie geht das denn?
So verbleibt Freud bei seiner leidigen Kastrations- und Triebtheorie und der notwenigen Unterdrückung der Triebe durch die „Kultur“ im Oberflächlichen behaftet. Freud zu dem Casus „Elisabeth“: Die Neurose „entwertet die reale Veränderung, indem sie den in Betracht kommenden Triebanspruch, also die Liebe zum Schwager, verdrängt…“ Er schreibt hier nichts vom zentralen Thema Sünde. Religionspsychologisch sind die halluzinierten, aber als real empfundenen Schmerzen der Elisabeth ein klassisches Buße tun, also ein selbstauferlegter religiöser Masochismus analog dem Augenausbrennen des Ödipus. Ödipus opferte Zeus ja sein Augenlicht, um wegen des Inzestes mit seiner Mutter nicht in den Tartaros, die Hölle zu müssen. Der Ödipuskomplex fußt auf Gott- bzw. Höllenangst und nicht etwa, wie Freud lehrte, auf einer Kastrationsangst. Elisabeth bietet ihrem Gott das Erleiden von Schmerzen an im Austausch zu ewigen Höllenqualen. Jede Buße ist der Versuch eines Deals mit dem jeweiligen Gott. Herbei halluzinierte Schmerzen können wir heute in der Fibromyalgie erkennen. Organisch finden wir da nichts Gravierendes – aber eine präexistente Depression. Daher muss ein Therapeut mit Fibromyalgie-Kranken über Religion und Sündengefühle reden können. Denn diese Schmerzpatienten „heilen“ ihre begleitende Depression durch ständige Bußen. Darum können, und das treibt unsere Schmerztherapeuten täglich in die Verzweiflung, da selbst Morphine nicht groß helfen. Der Schmerz wird gebraucht.
Ich dürfe das nicht, mein Reden als Psychotherapeut über Religion mit Patienten, so ein Vertreter der etablierten Psychiatrie zu mir. Das könne die Patienten „beeinflussen“. „Verpönt“ sei das Thema Religion in der Psychotherapie, so der Autor und Chefarzt Manfred Lütz. Hier äußert sich die ganze Erkrankung meiner Kollegen. Hier klärt sich auch die extrem hohe Suizidrate der Psychotherapeuten. Sie sind Übertragungen hilflos ausgeliefert, da sie nicht wissen, welche gravierenden Ängste sie überhaupt behandeln. Sie behandeln ja eigentlich Gottängste, leiden aber selbst unter ihnen. Der Psychiater meiner Ärztekammer äußerte in Bezug auf meine Arbeiten, und das ist eine klassische Projektion, ich sei paranoid krank. Er könne „sicher ausschließen“, dass ein Kind durch das Predigen einer Feuerhölle krank werde, auch dann nicht, wenn die Mutter dem Kind sage: „Der liebe Gott wird dich strafen.“ Denkenden Menschen fehlen da die Worte. Dabei hatte in gleicher Sitzung die Vizepräsidentin der Bundesärztekammer gemeint, die Kirchen seien grausam. Ich zitiere hier auch gern die Berliner Psychiater-These. Wie so oft kommt die Psychiatrie hier ohne vorzeigbare Untersuchungen zu einer „Gewissheit“, die nur ihr Wunschdenken darstellt. Die etablierte Psychiatrie erweist sich so als nicht nur angstneurotisch krank, sie ist zudem in einem Wahnsystem befangen und damit klassisch in Angstabwehr paranoid strukturiert. Sie stabilisiert sich durch das Leben in einer Wahnwelt. Den Wahn aber erkennt nicht, und das schreibt Freud sehr richtig, „wer diesen Wahn noch teilt“.
Worin liegt dieser Wahn genau? Er liegt neben der Fehleinschätzung, selbst nicht orthodox gläubig zu sein, in dem Nichteingestehen der Entstehung religionsbedingter Erkrankungen durch die fundamentalistischen, grundgesetzwidrigen und damit verbrecherischen Dogmen der Kirchen – auch unserer Amtskirchen. Wir erkennen: Ein nicht organisch bedingter Wahn ist analytisch ein Schutz-Versuch des Individuums. Und diese schützende Mauer lassen sich meine Kollegen nicht gern nehmen, steht man doch dann zunächst schwersten Ängsten gegenüber. Und doch: Wo krankmachendes Über-Ich ist, muss Ich werden.
Nun, die Psychiatrie ist immer ein Abbild der jeweils zeitgleich existierenden Gesellschaft. Das wird ein Thema für einen weiteren Artikel sein. Das „Unbehagen in der Kultur“ resultiert nicht wie Freud meinte, überwiegend aus einem kulturell aufgenötigten Triebverzicht. Unbehagen entsteht, wenn eine Religion nahezu jede Ausführung sexueller Tätigkeit und jede andere „Sünde“ unter Höllenstrafe stellt, vor der nur eine Beichte oder ein gnädiger Jesus an einem „Jüngsten Tag“ retten könne. Wie kann denn beispielsweise Onanie eine Sünde sein, wo doch auch Jesus als normales Kind onaniert hat? Wer aber sagt, Jesus sei nicht normal gewesen, versündigt der sich nicht? In diesem Sinn wünsche ich meinen Lesern noch einen schönen Abend.
1 Nachsatz: Freud hat der Psychiatrie gute Dienste geleistet, er hat ihr einen Sportwagen geliefert. allerdings ohne funktionierende Lenkung. Zeitlebens rätselte er, warum das Über-Ich so streng sein kann, wenn man doch so ganz nette Eltern habe. Nun, Eltern dürfen weder ihre Kinder überhart strafen, noch mit harten Strafen drohen. Beides ist verboten. Den Kirchen allerdings gestattet diese Gesellschaft sogar Kindern gegenüber die Androhung ewiger Feuerfolter. Das muss geändert werden. Wichtig und überfällig ist eine Teilung des Über-Ichs in ein Gott-Ich und ein Eltern-Ich.