Depression
Verbrennen ohne Feuer
Ertrinken ohne Wasser
Weinen ohne Tränen
Am Kreuz hängen
Und nicht sterben
Vögel, Blumen, Sonne
Und doch nur Qual

von F. Sacco 2003




Die „endogene“ Depression   

(die eigentlich angstbedingt und masochistisch ist)

Die „endogene“ Depression wird heute meist, weil sie  kommt und geht,  „depressive Episode“ genannt. Sie soll „vererbt“ sein oder „von innen heraus kommen“ – ohne einen fassbaren Grund. Meist, so meine These, ist sie aber nicht endogen sondern ecclesiogen, also kirchenbedingt. Auf diesem Gebiet weist unsere Psychiatrie eine autistische Denkhemmung auf – und gibt dieses Fehlverhalten sogar zu (Prof. Leuzinger-Bohleber). Wer aber nicht denkt, macht Fehler. Eine Depression ist nicht als endogen zu bezeichnen, bevor nicht ein kausaler Therapieversuch gemacht wurde, in der der Patient von der größten Angst des Menschen befreit, bzw. nicht wenigstens ein Therapieversuch in dieser Richtung unternommen wurde. Hier, bei der schrecklichsten aller psychischen Erkrankungen, ist eine EA-Therapie (EAT) immer indiziert. Sie ist in der Kategorie „Therapie“  beschrieben.
Gäbe es eine endogene Depression bei Menschen, müsste es sie bei unseren Artverwandten, den Menschenaffen, wegen nahezu gleicher Gene auch geben. Dem ist aber wohl nicht so. Prof. Martin Brüne von der Bochum Universität ist Psychiater und behandelt neben Menschen auch Affen, die an Depressionen leiden. Diese sind aber in der Regel reaktiv. Die Affen haben Schlimmes durchgemacht. Brüne schreibt mir: „Ich glaube nicht, dass es bei nichtmenschlichen Primaten eine „endogene“ Depression gibt…“

Oftmals wird vom Patienten geäußert, Gott- bzw. Höllenangst käme überhaupt nicht als Krankheitsursache in Betracht. Sie ist halt als tiefste Menschenangst auch am gründlichsten verdrängt. Eine Patientin schloss kürzlich diese Angst für sich komplett aus. Sie bete aber abends, Gott möge sie nicht strafen. Womit strafen? Trotzdem bzw. gerade deshalb ist es notwendig, den Erkrankten einfach etwas über die heutige Kirche zu erzählen und Kirchen – Dogmatik bei ihnen wieder zum Thema zu machen. Man lässt einfach auch für den Patienten offen, ob religiöse Probleme überhaupt für ihn relevant sind. Man weist darauf hin, dass Statements in der Art, man glaube nicht an die Hölle, vom Bewusstsein gesteuert werden und das Unterbewusstsein in der Regel uns nur in Ausnahmen zugänglich ist – zum Beispiel nach einer durchgemachten speziell religiös ausgerichteten Psychoanalyse. Gerade heftige Ablehnung der Vorstellung, Kirche könne am Geschehen schuld sein, spricht für einen Zusammenhang. Dann ist man meist auf der richtigen Spur. Je stärker die Abwehr, der „Widerstand“  bei einer Analyse, umso richtiger liegt man mit ihr.

Hinter der „endogenen“ Depression versteckt sich in der Regel ein moderner Masochismus, eine masochistische Depression von Prometheustyp. Der Held der griechischen Sage ist das Paradebeispiel für eine derartige Erkrankung und wird hier noch sehr ausführlich besprochen. Leid und Schmerz kann aus mehreren Gründen erwünscht sein: Diese Gefühle können Strafbedürfnisse befriedigen und damit über Abbau von Schuldgefühlen Ängste vor jenseitigen Strafen lindern, wie es oft bei Anorexie, Zwängen und „depressiven Episoden“ der Fall ist.
Zur Schuld möchte ich noch Grundsätzliches sagen. Im Brockhaus steht es so: „Schuld: Verantwortung für die Verletzung eines rechtlichen, moralischen oder religiösen Gebotes… Beurteilungs-Instanzen der Schuld sind das eigene Gewissen, die Verpflichtung gegenüber der Gruppe, in der man lebt, das kodifizierte Strafrecht und Gott.“ Über Schuldgefühle bei Patienten kann man demnach als Psychiater nicht qualifiziert reden, wenn man Gott und Religion schlicht ausklammert. Der Brockhaus kann hier mehr als unsere Psychiatrie, die sich aus lauter Ängstlichkeit nicht qualifiziert über Religion unterhalten will, weil sie fürchtet, dann irgendwann Gottkritik äußern zu müssen. Auch wenn man es Psychiatern nicht ansieht, sie sind auf konservative Weise ebenso hoch religiös, wie ihre amerikanischen Kollegen. Das beschreibt Frau L. I. Hofmann in ihrer Doktorarbeit (Uni Oldenburg 2010: „Religiosität und Spiritualität in der psychologischen Praxis“).

Ich denke so: Es gibt die Schuld A mit einem Schuldgefühl A. Schuld A ist das Objektive einer Schuld und das resultierende Schuldgefühl A ist dementsprechend aufs Sachliche begrenzt. Schuld A kann bereinigt werden. Hat man als Beispiel eine Frau oder eine Göttin beleidigt, so entschuldigt man sich bei ihr und zahlt ihr eine Entschädigung. Man gibt einen geklauten Apfel zurück. Punkt und Schluss.
Schuld B ist nun die religiös bedingte und kirchlich gewollte Überhöhung der Schuld ins Transzendentale und Irrationale. Es resultiert und entsteht der Begriff der „Sünde“, der eine Erfindung der Geistlichkeit ist und Schuld an der Überfüllung unserer geschlossenen Anstalten. Wird die oben genannte Beleidigung als Sünde am Tage des Jüngsten Gerichtes hart und vor allen Dingen ewig bestraft werden? Von einem unberechenbaren Gott mit einer völlig indiskutablem totalitären Rechtsauffassung? Schuldgefühl bei Depressiven ist meist der Kategorie B zuzuordnen und damit als Sündengefühl ein Angstgefühl. Angst vor Strafe: B-Angst. Ein schönes Beispiel ist Evas Apfelklau. Bibelgott hätte es nicht ausgereicht, dass sich Eva bei ihm entschuldigte und ihm einen anderen Apfel zurückgab. Oder zwei. Schon der kleinste denkbare Diebstahl, eine Bagatelle also, löst beim Gott der Bibel einen Amoklauf aus. Er wird vor Zorn verrückt.

Das so genannte „schlechte Gewissen“ plagt depressive Menschen ständig, unsere wirklich barbarischen Zeitgenossen dagegen kaum. Die sind „gewissenlos“. Auch hier muss zwischen A- und B-Gewissen unterschieden werden. Depressive haben ein enges „B – Gewissen“. Es ist religiös überhöht: Sie fühlen sich sündig. Die Sünde wurde ihnen in der Hauptsache nicht von den Eltern, sondern kirchlich eingeredet: Sie sind als Kinder auf billige Kirchentricks hereingefallen. Der billigste ist die eingeredete Schuld an einem Foltermord. Sie sollen durch ihre Schlechtigkeit und Sündhaftigkeit Mittäter an Jesu Kreuzigung sein. Dabei ist Jesus 2000 lange Jahre schon tot und juristisch „nicht existent“. Das lehrt uns die Staatsanwaltschaft Freiburg im Jahr 2014. Das schlechte Gewissen des Christen ist nötig, damit er ein gutes Gewissen hat. Mit einem guten Gewissen wäre er Sünder und nicht genügend demütig. Ein fabelhaft funktionierender Kirchentrick. Die Kirchen, und das ist ihre Sünde, haben es verstanden, unseren Kindern ein humanistisches Gottesbild und damit das wirkliche Evangelium vorzuenthalten. Holen wir das also ganz schnell nach.
Eine seltene Bestätigung meiner Auffassung von fachlicher Seite fand ich im Buch von Verena Burgbacher und Carola Eißler: „Schluss mit dem schlechten Gewissen“, Herder: „Theologisch betrachtet hat „Gewissen“ immer etwas mit der Vorstellung von „Gott“ zu tun“, so die Autorinnen. Eine Patientin berichtet im Büchlein, Gott sei ihr übermächtig vorgekommen und als einer, der „genau überwachen … konnte…“ Wir alle stünden „mit jeder unser Handlungen in Gefahr, die göttliche Ordnung zu verletzen“. Daraus ergebe sich ein unerfülltes und unwertvolles Leben ohne die Option „auf einen Platz im Himmel“. Sie meint natürlich, dass sich ein Platz bzw. eine Option ergibt für die Hölle. Hier werden also wertvolle Leben durch Kirche zerstört. Da wir nach Kirchendoktrin alle ewig leben, nehmen die, die keinen Platz an der Sonne bekommen, auf ewig in der Hölle ihren Platz ein. So denken die meisten unserer Kinder – und Eltern, Lehrer oder andere Erwachsene klären sie in der Regel nicht gegensätzlich und rechtzeitig auf. Unser Bibelgott, diese Projektion barbarischer Menschen, kennt leider keine mäßig temperierten Zwischenstockwerke des KZs Hölle. Im Buch „Wie wird es in der Hölle sein“, Betanien Verlag, wird diskutiert: Über die Hitze in der Hölle. „50“ oder „6000“ Grad. Die Kinder, die dieses Heftchen lesen, werden darüber im Unklaren gelassen. Als CD-Besprechung wird es an sie in Bergen im Edeka-Center verteilt, so der Stand Anfang 2015. Den Autor Deppe habe ich wegen Kindesmisshandlung angezeigt, erschreckt er ja Kinder mit einem folternden Gott, den es nicht gibt. Gott ist ja kein Hitler. Deppe aber darf Kinder derart misshandeln, so die Staatsanwaltschaft. Bild: Sacco, Akryl

Zu allem Unglück scheinen sich Stress, Ängste und Depressionen auch negativ auf das ganze weitere Leben und sogar das Erbgut (DNS) auszuwirken. Wissenschaftler des Max-Planck-Institutes haben gezeigt, dass nachgeburtlicher Stress und Angst, hier Trennung von der Mutter, bei Mäusen einen Genabschnitt hemmt, der als Ausschalter des Vasopressin-Gens dient. Es kommt so zu einer lebenslangen Überproduktion des stressverstärkenden Botenstoffes Vasopressin. Die Regulierung der Gene ist somit wichtiger als die bloße Ausstattung damit. Stress lässt aber auch Methylgruppen an die Erbsubstanz andocken. So wird eine neue DNS – Struktur an die Tochterzellen weitergegeben und auf diesem Wege leider weitervererbt. Wenigstens bei Mäusen. So würde eine depressive Gesellschaft immer depressiver. Nun, sie wird immer depressiver. Heilpraktikern ist lange bekannt, dass essentieller Bluthochdruck auf emotionalen Dauerstress zurückzuführen ist. Vasopressin treibt im Prinzip den Blutdruck in die Höhe. Es hemmt die Wasserausscheidung und erhöht im Experiment den Blutdruck. Auch beim Menschen.


Ständige Angst vor Sünde führt Depressive oft in den Zwangszustand der „Nachahmung Christi“, die zu allem Übel von der Kirche noch verlangt wird. Der Masochismus ist dann ein Symptom einer religionsbedingten Depression und stellt einen Selbstheilungsversuch dar. Etliche Portugiesen lassen sich in einer Orgie der Nachahmung zu Ostern an ein Kreuz nageln. Tausende sehen dem zu. Gläubige sollen das Leid Jesu masochistisch nachleben. Das führt Patienten oft in eine perfektionistische Überforderung, die all ihre Kraft erfordern kann und sie überlastet. Depression und Zwangskrankheit sind nicht sauber zu trennen. Wir haben es hier mit Symptomen und nicht mit Definitivdiagnosen zu tun. Während Fritz Riemann in „Grundformen der Angst“ noch äußert, Glaube gebe dem Leben der Depressiven Sinn und trage sie, identifiziere ich den Glauben der Patienten als deren Krankheitsursache. Auf Seite 102 äußert Riemann dann zwar keine Kirchenkritik, so weit geht er nicht, aber er sieht Dinge immerhin kritisch: „In der Ethik“ nehme der Depressive „Gebote und Verbote zu wörtlich, fühlt sich dadurch überfordert und in seiner Schuldgefühlsbereitschaft bestärkt.“ Statt: „in der Ethik“, sage ich: „in der Kirche“. „Entsagung, Verzicht, Opfer und Askese“ würden den Depressiven charakterisieren. Das stimmt. Depression ist ein Symptom eines religiösen Masochismus, wie wir ihn von Ödipus und Prometheus kennen. Man bietet seinem Gott im Austausch an die ewige Hölle schon mal eine der Hölle ähnliche Strafe auf Erden an. Man gönnt sich psychische Gesundheit nicht. Die Ursache derartiger Selbstüberforderung ist als Kind eingeredete Höllenangst, der Weg zu dieser Überforderung geht über das Schuldgefühl B. „Selig jene, die dulden“, meint Franz von Assisi dazu, ein Spezialist auf diesem Gebiet. Irgendjemand fügte ihm die fünf Jesus- Wunden regelmäßig bei. Aber wer? Er selbst? Ich war es jedenfalls nicht. Die Kirchen indoktrinieren Kinder noch heute mit dem Postulat, sie sollten in der Nachfolge Christi leiden wie der Gekreuzigte am Kreuz.


Kierkegaard war mit seinem „Das Leid ist das Schönste im Leben“ ein Spezialist in derartigem Masochismus und dem Predigen solcher Selbstqual. So wird man heute noch zum Märtyrer gemacht. Man quält sich heute weniger körperlich wie im Mittelalter, man gönnt sich über eine Depression weder Glück noch Zufriedenheit. Man sucht als Märtyrer sein Heil in der Depression und versucht so, die Schuld an der Kreuzigung Jesu abzutragen, eine eingeredete Schuld also. Die masochistische Depression erweist sich für den modernen Gläubigen also als überflüssig.
Zu trennen ist die masochistische (früher „endogene“) von der reaktiven Depression. Doch auch dort gibt es Überlappungen. Schlingensief erkrankte an einem bösartigen Tumor. Es resultierte eine reaktive Depression auf diese Diagnose hin. Der Künstler meinte, Gott habe diesen Tumor geschickt. Er hadert mit Gott. Hier kommt die „endogene Komponente“ mit hinein. Gott straft nach kirchlichem Dogma mit Krebs wegen einer Sünde – oder er schickt eine Erkrankung zwecks grausamer „Testung“ des Gläubigen. Woran litt Schlingensief mehr? An der Krebserkrankung oder an dem ihm eingeredeten Gottesbild?

Stirbt ein Kind einen Unfalltod, so haben Eltern den Verlust zu beklagen und sind depressiv. Zusätzlich belastet sie eine eventuelle Schuld A, bzw. eine Sünde, eine Schuld B. Haben sie wirklich immer und genug auf das Kind aufgepasst? Haben sie es genug vor Gefährlichem gewarnt? So hat der Gläubige doppelt oder dreifach zu tragen: Am Verlust selbst, einer objektiven Schuld und an einer eventuellen „Sünde“, an einer Schuld B. Strafte gar der so allmächtige Gott die Eltern mit dem Tod des Kindes?
Aber urteilen Sie selbst. Sehen Sie sich einige Krankheitsbilder bei bekannten Persönlichkeiten mit Depressionen unter www.frank-sacco.de an. U.a. werden auf der Seite Ödipus, Sigmund Freud, Nietzsche, Die Monroe, Hölderlin, Kafka und van Gogh analysiert. Es liegen dort ja biografische Berichte vor, die subtile Einzelheiten über diese Personen offen darlegen und eine posthume Analyse bzw. Psychoanalyse durchaus ermöglichen. Psychoanalyse ist im Grundsatz erst einmal schlichte Anamnese, also die Erhebung der Krankengeschichte. Man muss herausfinden, wo und wie der Betroffene missbraucht wurde. Wenn das nicht gelingt, und es gelingt oft nicht, setzt man den Missbrauch voraus. Wir alle, die wir in Kirchen erzogen wurden, wurden in diesen Gemäuern psychisch missbraucht. Eine Erziehungsberechtigte, und hier sind die Amtskirchen gemeint, die Kindern mit Feuer droht, ist „nicht akzeptabel“, so die Rechtsmedizin der Uni Hamburg.

Der Präses meiner Kirche, Bischof Nikolaus Schneider, kündigt uns ein ewig strafendes „Feuer“ Jesu in seinem Buch „Von Himmelsschätzen und Erdenherzen“ auf Seite 54 unmissverständlich an. Er beruft sich dabei auf einen allerdings von Jesus nicht unterschriebenen „Richterspruch“. Er handelte sich zwei Strafanzeigen wegen Kindesmisshandlung ein. Kirche darf aber in der BRD alles. Alles bis auf sexuellen Kindesmissbrauch. Der Betanien-Verlag (Partner Erzbistum Paderborn) äußert sich über einen Autor so: „Welche Gnade ist für Sünder jedes nicht brennende Körperteil!“ Mit einem Ausrufungszeichen! Es ist schon erstaunlich, was die Gesellschaft der BRD ihren Kirchen so alles erlaubt.
Eine auffällige Häufung religionsbedingter Depressionen sehen wir bei Eltern „modern“ sich verhaltender muslimischer Gläubiger, wenn sie sich in ihrem Verhalten vom Islam abkehren. Hier kommen bei den Eltern schwere eigene Schuldgefühle und entsprechend Gottängste auf. Den Vater von Hakan „zerfressen“ diese Ängste, Schuld zu haben, dass er dem Sohn seinen Glauben „nicht beibringen konnte“. Dreimal häufiger sind Depressionen bei Menschen mit türkischem Migrationshintergrund, so im DUMMY, 49, Winter 15/16. Auch vermitteln etliche deutsche Kirchenleute muslimischen Kindern, dass sie die verkehrte Religion haben. Indem sie Jesus nicht als Gott verehren, seien sie nach der Bibel (Joh. 15) des Feuers schuldig. Auch Juden müssten missioniert werden, so der Tenor in einschlägigen christlichen Zeitungen. Helmut Schmidt ist dagegen meiner Ansicht: Mission sei abzulehnen und Missbrauch. Jeder solle seine angestammte Religion leben dürfen.

Nach der Depression