Der Klappentext verspricht, was das Buch nicht hält, nämlich die Beantwortung der dortigen Frage „Welche Kindheitserlebnisse sind es, die zu seelischen Erkrankungen und zu Störungen der Charakterentwicklung führen?“ Es klärt auch nicht, ob Eltern „durch bestimmte erzieherische Maßnahmen die Entstehung von Neurosen bei ihren Kindern“ verhüten können. Es sei ein Fachbuch für Psychologen und Mediziner, heißt es dann im Buch. In jahrelangen Untersuchungen habe Richter „die Motive, die zu Neurosen bei Kindern führen“, erforscht.
Es ist das Buch eines Psychiaters und Psychoanalytikers. Als solcher rede man „nie“ über Religion, so Manfred Lütz, Chefarzt einer Psychiatrie in seinem Buch Gott. Lütz selbst ist da eine Ausnahme. Denn er ist Arzt und Theologe. Richter erforscht somit nur das Über-Ich, das von den Eltern im Kind internalisiert wird. Ich habe es das „Eltern-Ich“ genannt. Er vergisst das Gott-Ich.
Nicht mit einem Wort nennt Richter die Religionen. Deren Götter stellen den um etliches grausameren Teil des Über-Ichs dar. Ich habe ihn das „Gott-Ich“ genannt. Lediglich das Wörtchen Sünde kommt einmal vor. Doch Richter erklärt uns hier nicht einmal, was Sünde bedeutet. Die Sünde ist ein klerikaler Begriff. Er gestattet beziehungsweise ermöglicht es dem Klerus, selbst kleinste Schuld als ein schweres bis schwerstes Vergehen zu bezeichnen. Ja, selbst komplett fehlende Schuld wird zu Sünde stilisiert. Denken wir da nur an den unglaublichen Vorwurf, Kinder hätten eine „Mittäterschaft an der Kreuzigung Jesu“. Diese Vergehen würde in einer angenommenen, dem Kind als Glaubensgewissheit vermittelten Transzendenz mit entsprechenden, ja auch ewigen Strafen geahndet. Merken wir uns zwei Dinge:
1. Bei Sünde denkt ein Kind an die Bestrafung der Sünde.
2. Angst vor der Angst und Panikstörung sind keine Diagnosen.
Diese Drohungen, die Androhungen ewiger Feuerfolter, wie die Bibel sie dem von ihr missbrauchten Jesus in der Bergpredigt in den Mund legt, sind juristisch betrachtet Verbrechen. Verbrechen an Kindern. Auch Eltern drohen mit teils sogar folterähnlichen Strafen. Auch mit Hitzeanwendungen. Aber sie dürfen es nicht. § 241 StGB verbietet und ahndet das.
Wie können Eltern Neurosen ihrer Kinder verhüten? Nun, sie müssen ihnen den Zugang zum gängigen Christentum so lange versperren, auch zur christlichen Kita, bis es eine wirklich gewaltfreie Religion geworden ist. Das kann noch einige Jahrhunderte dauern. Bereits in der Kita hören Kinder vom Retter. Doch der rette beileibe nicht alle, so die Bibel. Kinder reicher Eltern schon gar nicht. Die passen nicht durchs Nadelöhr.