Gewalt und Jugendkriminalität

Das Wesentliche über Gewalt habe ich schon angeführt. Ich bin der Überzeugung, ein Mensch bekommt, wenn er etwas über Gewalt sieht oder liest, dies in der Regel nicht richtig mit. Wir können uns Berichten über Gewalt nicht entziehen. Am besten wird sie verpackt in einen stetigen Wechsel von Gewalt und Schönem. In einer großen deutschen Zeitung stand die Geschichte von jemandem, der seine Opfer genüsslich verspeist hat, direkt neben der Abbildung einer Schönen, die spärlich bekleidet zum Liebemachen auffordert.

Gewalt kommt jedoch auch intellektueller verpackt zur Darstellung, zum Beispiel im Feuilleton einer „Intellektuellen“ – Zeitung. In dieser Woche habe ich mir solch einen Artikel ausgeschnitten über die Kurosawa – Ausstellung im Filmmuseum Frankfurt. In diesem Artikel wird berichtet über meterhohe Blutfontänen und waschkorbweise abgeschlagene Extremitäten im asiatischen Aktionskino. Da fliegt ein abgeschlagener Arm eines Mannes in den Straßenstaub, da hackt jemand im Duell einem Gegner in den Hals bis das Blut literweise hoch spritzt. Überschrieben ist der Artikel: „Wo wir lernten, Gewalt zu lieben“. Auch wenn solche Artikel als Kritik gemeint sind, es kommt doch Gewalt darin vor. Und es geht Wirkung auf uns, speziell auf unser Unbewusstes aus. Wir werden auf eine Art verrückt. Unser Unbewusstes kann zwischen Film und Realität nicht unterscheiden. Es ist völlig unklar, was Gewalt in den Medien in unseren Kindern anrichtet. Der Schwede Stellan Skarsgard schreibt, dass Gewalt bis zur Folter heute „alltäglich“ ist (Quelle Die Welt, April 2012). Auf eine beänstigende Weise scheint die Gesellschaft gegenüber Gewalt immun geworden zu sein. Ich fordere oft Patienten auf, die „Kindersendung“ Tatort (Beginn 20.00 Uhr) unter dem Aspekt gezeigter Gewaltszenen anzusehen und dann zu überlegen, ob die Sendung wirklich jugendfrei ist. Während Gewaltdarstellungen die Psyche mancher Menschen beruhigen, richten sie im Unbewussten anderer Furchtbares an. So kommt ein normaler Fernsehzuschauer einem stark Depressiven verrückt vor, wie uns Wale verrückt vorkommen würden, die sich auf riesigen Unterwasser-Fernsehern Folterungen anderer Wale freiwillig anschauen würden.  

Auffällig ist eine immense Diskrepanz, was der Mensch an Leid anderer betrachten kann und wie wenig er dann selbst auszuhalten vermag. Heute darf oft nichts mehr wehtun. „Tut das weh?“ fragen mich Patienten in der Praxis. Auffällig dagegen, wie viel Leid (als Gewalt der Natur gegen uns) zum Beispiel Tumorpatienten aushalten können, vielleicht aus Angst vor einem dieses Leid noch übersteigenden qualvollen Sterben oder gar einer Angst davor, was danach kommt. Angst vor dem Tod selbst haben die wenigsten unheilbar Krebskranken. Es erscheint dem Arzt oft schon wunderlich, wie viel Tumorkranke erdulden können: Von Chemo zu Chemo, von Bestrahlung zu Bestrahlung und von Knochenbruch zu Knochenbruch. Aus Angst vielleicht? Vor dem Tod? Vor dem Gericht, das dann kommen soll, aber nicht kommt? Aus Hoffnung vielleicht? Ärzte können nicht immer ehrlich gegenüber ihren Patienten sein, was ihre persönliche Einschätzung der Heilbarkeit und Lebensdauer angeht.

Eine bemerkenswerte Variante war bei Indianern zu beobachten. Heranwachsende wurden am Marterpfahl gemartert, sozusagen als Mutprobe. Man kann sich denken, dass durch einmal erlittene Folter die Angst vor minderen Qualen gemäßigt wird. Das so genannte Piercing ist manchmal reiner Schmuck, aber manchmal auch Zurschaustellung einer, ich möchte sagen permanenten Marter. Es sieht wenigstens danach aus. Oft ist es die Reaktion auf frühkindlich erlittene Gewalt und der so gemarterte möchte sein Innerstes ganz einfach nach außen kehren. Er macht sich für alle sichtbar.

Ein Gewalttrauma wird paradoxer Weise oft nicht durch Verdrängung bewältigt sondern durch ständiges sich wieder vor Augen führen der Gewalt. Die Gräuel in New York vom 11. September 2001 wurden durch permanente Wiederholung im Fernsehen bearbeitet. Inzwischen weiß man jedoch aus der Behandlung der Dienst tuenden Feuerwehrmänner des 11. September, dass die nicht traumatologisch Behandelten anscheinend nicht größere Folgeschäden erlitten, als die Positivgruppe. Die damaligen Bilder zeigen zudem, wie auch Wut und Rachegefühle ausschlaggebend bei Gewaltaufarbeitung und -ausbreitung sind.

Gewalttätig werden Mensch und Tier, wenn sie sich existentiell bedroht fühlen, wenn es so ist, dass sie verhungern können oder in ihnen auch nur dieser Eindruck erweckt wird. Die „mimetische Rivalität“ (siehe Religionsphilosoph Rene Girard) ist die zentrale Quelle von gesellschaftlichen Konflikten und von Gewalt. Sie entsteht, wenn zwei Menschen ein identisches Gut begehren. Meines Erachtens entsteht sie nicht aus primärem Gewinnstreben oder Egoismus, sondern aus meist unbewusster („tierischer“) und zudem noch meist unbegründeter Existenzangst. In der letzten Woche stellte sich hier eine Patientin mit einem Pferdebiss am Oberarm vor. Das Pferd hatte fälschlicher Weise geglaubt, die Patientin wolle ihm sein Futter wieder wegnehmen. Das hatte sie gar nicht vor! Sie isst gar kein Heu! Der Mensch ist vereinfacht ausgedrückt ein zweibeiniges Pferd. Er wird verrückt und verrückt gemacht, wenn er Verhungerängste hat oder sie auch nur eingeredet bekommt, z. B. von kleinen Männern mit dem Vornamen Adolf. Zu Hitlers Psychoanalyse lesen Sie bitte unter diesem Link

Am Max-Planck Institut wurde das berühmte Milgram-Experiment wiederholt. Versuchspersonen verabreichen Schauspielern Stromstöße bis 45o Volt. 85 % der Versuchspersonen führten derartige Folter rigoros bis zum bitteren Ende durch. Warum nur? Aus Angst vor der Autoritätsperson (hier dem Versuchleiter). Bisher wurde Angst vor Liebesentzug als Grund angenommen. Ich meine indes, das strikte „Nein“-sagen wurde von den folternden Versuchpersonen als „Sünde“, als Verweigerung einer eindringlichen Bitte oder eines Befehls einer Autorität aufgefasst. Menschen, die in einer autoritäten Struktur groß geworden sind (strenge Eltern, ewig strenger Gott), werden nun  einmal zu gehorsamen Sklaven.  Hier sind wir Menschen wie die Bienen, die blind der Königin gehorchen. 75 % unseres Erbgutes haben wir nun einmal mit der Stubenfliege gemein. „Bloß nicht gehorchen“ ruft uns da der katholische und wirklich christliche Theologe Gotthold Hasenhüttl, geb. 1933 in Graz, zu. Keine Herrschaft sei heilig, auch nicht die katholische Hierarchie, sondern „jede ist unheilig“. Niemand dürfe einer Autorität gehorchen, die gegen die Nächstenliebe verstößt. „Die katholische Hierarchie …ist korrupt, wenn sie die Eucharistie (die Beichte, der Verf.), die Symbol der Liebe Christi ist, missbraucht, um andere Menschen auszuschließen.“ Korrupt sei der Vatikan, wenn er sexuelle Gewalt vertusche. Und das tat Papst Benedikt XVI. als Kardinal Ratzinger.

Ein Wort noch zur UN – Kinderrechtskonvention, die das Recht eines jeden Kindes nennt, „umgeben von Liebe, Geborgenheit und Verständnis aufzuwachsen“, eben gewaltlos. Die Überzeugung des Kindes, geliebt zu werden, wie es ist, darf nicht an Bedingungen geknüpft werden, auch nicht an diejenigen, die die Kirchen permanent stellen. Auch nicht an deren angeblich gottverlangte Bedingung, sündenfrei und bußwillig zu sein. Ein schwaches Selbst und ein seelischer Schaden ist die Folge einer Kindheit, die in dieser Frage dem Heranwachsenden keine Sicherheit vermittelte. Unsere Kirchen und ihre beiden Götter vermitteln eine besagte Sicherheit Kindern nicht, sondern das gerade Gegenteil. In einem Zeitungsartikel wird Alice Miller zitiert. Jedes Kind werde unschuldig geboren. Dieser schlichten und vernünftigen Aussage steht die Praktik unserer Geistlichkeit in Bezug auf ihre skurrile Lehre von der Erbsünde entgegen, mit der sie auch die „Gerechtigkeit“ des Holocausts Sintflut begründet, in dem, so die Story, alle jüdischen Kinder grausam zu Tode kamen. Die wirklich paranoide Theorie einer vererbten Sünde ist nicht rechtskonform, denn Sippenhaftung war zu allen Zeiten objektiv eine Ungerechtigkeit. Das weiß jeder Gott. Hier muss eine baldige Änderung stattfinden. In obigem Artikel heißt es auch weiter, ein Kind dürfe keine Angst vor Strafen haben. Und: Jedes Kind sei sensibler als Erwachsene. Die Aufforderung an die Kirchen und ihren ausgedachten Pseudogott lautet demnach: „Hände weg von Gewalt“. Und dennoch: Trotz meiner Bitte bleibt der Chef meiner Kirche hart. Wer nicht bestimmte Voraussetzungen erfülle, komme nach einem Richterspruch Jesu in dessen ewiges Feuer. In gotteslästerlicher Weise macht er hier Jesus zu einem Hitler. Das ist unerträglich. 

Patienten mit im weitesten Sinn depressiver Struktur neigen wenig zu Gewalttaten. Sie sind recht sozialisiert. Gewaltarm sind jugendliche Psychotiker. Nur 5 von 10.000 werden polizeilich als auffällig erfasst, 300-mal weniger als „Gesunde“. Ihr Unterbewusstes sagt ihnen ständig und beständig: „Fürchte die Hölle“. Wer so nahe am Höllenglauben ist, verhält sich friedlich. Irgendwo „sozialisiert“ sie also auch, diese erdichtete göttliche Folterkammer unseres Herrn Bibeljesus. Es ist dies aber eine Sozialisation in Unfreiheit und mit entsprechenden teuren Nebenwirkungen. Der Höllenglaube füllt als  diese Nebenwirkung unsere geschlossenen Psychiatrien mit unschuldigen Patienten und mit Menschen, die Verbrechen begingen.  Der unermessliche Reichtum der in Frauenkleidern wandelnden  Priester in Rom ist auf dem Elend gerade dieser Mitbürger als Nebenwirkung des Glaubens aufgebaut. 

„Der große Erziehungsberater“, dtv, Nelsen et.al. sagt es uns: „Wenn die Eltern (als Teil des Über-Ichs, der Verf.) selbst aggressiv, kontrollsüchtig oder ständig auf Strafen aus sind, kann in ihren Kindern der Eindruck entstehen, das dies eben die Verhaltensweise ist, mit der man seine Ziele am besten durchsetzen kann.“ Gleiches kann man von der christlichen Religion behaupten, dem Gott-Ich, dem wichtigsten Grundpfeiler unseres Über-Ichs: Die „Strafe“ Sintflut wird kirchlich als „Gerechtigkeit“ idealisiert und sie wird zur „Strafe“ Auschwitz. Auschwitz wird quasi „gerechtfertigt“ durch die „gerechte“ Sintflut, die uns als rechtmäßig von unseren Kirchen verkauft wird. Die grausame Verhaltensweise Bibelgottes wird zwischen 1936 und 1945 ebenso grausam nachgeahmt. Überschießende Rache gilt heute weiterhin als ein höchstes göttliches Prinzip. 

Ein weiteres düsteres Kapitel in Bezug auf unsere unchristliche Religion tut sich hier bei der Delinquenzentstehung auf: Was ist mit unseren Straftätern? Wo sind sie kirchenkrank und damit Kranken gleichzustellen? Wo ist hier Kirchenschuld zu suchen und zu finden? Warum sind tiefenpsychologisch gesehen aggressive Täter aggressiv? Warum sind sie Kampfhunde? Kampfhunde spüren die Aggressionen ihres Leinenführers, sie spüren dessen Hass auf die, die anders sind. Die unterschwelligen Ängste seines Herrn sind auch seine Ängste, die Ängste des von ihm abhängigen Hundes. Es kommt also auch hier zu Übertragungen. Sind Straftäter Opfer von als Kind empfangenen Übertragungen? Neben Krankheitsentwicklungen hängt selbstverständlich auch Delinquenzentstehung mit unserer üblen Dysreligion zusammen. Böses verursacht hier Böses. Ein Kind, das, aus welchen Gründen auch immer, als schwarzes Schaf in der Familie oder in der Schule gilt und kein Geliebtwerden empfindet, wird sich unter den strengen Blicken des Religionslehrers und der Geistlichen schon auf der Warteliste zur Hölle sehen. Es glaubt, zu den 50 % der Menschen zu gehören, die nach unseren Kirchengemälden im dortigen Feuer landen. In dieser affektgeladenen Situation wird es Merkmale äußerster seelischer Gestörtheit entwickeln, unzufrieden sein, Minderwertigkeit empfinden und Schuldgefühle entwickeln. Es wird Impulsen nachgeben, über eine Bandenmitgliedschaft Anerkennung zu finden, sich über Zerstörungswut Ersatzbefriedigung verschaffen und zwecks Aggressionsabfuhr Gewalt- und Pornographiesendungen ansehen. Bereits vor dem Ansehen von Grausamkeiten ist die Aggression da, schon im Kindergarten. Das sagt uns der Psychiater Volker Schmidt, Leiter einer Forensischen Psychiatrie (Solothurn). Bis zu 90 % der jugendlichen Schäger  weise psychische Erkrankungen auf, wie ADHS, Depressionen oder Persönlichkeitsstörungen. Der Psychiater Jopsef Sachs, ebenfalls Chefarzt einer forensischen Psychiatrie, sieht an den betreffenden Jugendlichen auch autistische Symptome: „Sie empfinden kaum Freude oder Trauer“ (Quelle Der Spiegel 18/2014, S. 65). Da das Unbewusste des Kindes weiß, dass es sowieso in die Hölle kommt, greifen weder familiäre noch kirchliche (10 Gebote) Regulierungsversuche. Alles wird dem Jugendlichen egal, er wird unerziehbar. Es kommt zur sog. Anomie (nach Emilie Durkheim), also zur Normlosigkeit, als Reaktion auf die „Einsicht“, später doch in einer Hölle endlos, maßlos und zu Unrecht gefoltert zu werden. Eine derartige Maximalfrustration erzeugt, wenn sie nicht zur „endogenen“ Depression führt, maximale Aggression. Wer aus Angst vor Höllenstrafe handele, handele nicht frei, sondern als „Sklave“, so Karl Jaspers in „Chiffren der Transzendenz“. War Breivic dieserart Sklave? Ja. 

Masochismus, die Gewalt gegen sich selbst, und Sadismus, die Gewalt gegen Andere, entstehen durch Ängste. In ihren Extremformen entstehen sie durch die größte Angst, die Gottangst. Der individuelle ekklesiogene Masochismus ist eine schlimme Angelegenheit. Der ekklesiogene Sadismus ist noch eine schlimmere, da er massenweise wirksam werden kann. Der Masochist quält immer nur Einen: Sich. Das Handbuch der Pastoraltheologie, Band II/1gibt uns deutlich Auskunft. Ich bekam es von einem katholischen Priester geschenkt. Was ist dort zu lesen?

Der Masochismus sei eine der vielen Abwehrreaktionen gegen Angst, der Sadismus sei es ebenso. In „Hexen-, Ketzer- und Heiligenverbrennungen“ zeige sich diese Abwehr. Angst stelle Angriffskräfte bereit und „hungrige Grausamkeit“. Hier verweise ich auf meine Arbeit über die Psychoanalyse der Prostitution. 

Die härteste Gewalt resultiert, wenn der persönliche Gott sie absegnet, sie legitimiert. Im Spiegel 52/2014 steht es: Religion kann „die höhere Begründung für ein niederes Handeln sein, welches sich der Ratio entzieht und zur Hemmungslosigkeit führt. Wer sich auf Gott beruft in seinem Anspruch auf Wahrheit, der stellt sich von jeder irdischen Begründung frei. Das ist der Kern des Fanatismus.“ Gut gesagt, Stefan Berg.

Über eine spezifische deutsche Angst hat man viel geschrieben. Kann Höllenangst als die größte bekannte Angst auch den größten Sadismus, den Sadismus Auschwitz mit verursacht haben? Die Frage sollte sich ein jeder für sich beantworten.

Wenn Höllenangst im Spiel ist, werden Menschen und Gruppen von Menschen in ihren Reaktionen völlig unberechenbar. Das Beispiel Breivic und das der Kreuzzüge zeigen das. Was zeigt uns Auschwitz? Auf jeden Fall ist es psychohygienisch dubiös, wenn einem Kind mit dem Namen Hitler in Kirchen  ein Holocaust (Sintflut) und folternde Maximalgewalt (Hölle) als christlich-ethische Grundwerte vermittelt werden und dazu noch das Wort Bibel-Jesu aus Joh. 8,44, die Juden seien die Söhne des Teufels. Hier ist jeder Bürger, ob nun Jude oder Nichtjude,  aufgerufen, diese Dinge endlich zu ändern.

Über 7000 Delinquenten , alle schuldunfähig oder vermindert schuldunfähig leben in 80 Einrichtungen des Maßregelvollzugs, so im Der Spiegel 52/2014. „Frühgestört sind fast alle, vernachlässigt, ohne Liebe und mit willkürlicher Gewalt erzogen und zum Teil sexuell missbraucht“, so Dirk Hesse, Direktor in Moringen. Die Therapie sei schwierig, die Aufenthalte entsprechend lang. Es wird Zeit, den dort lebenden Erkrankten den Zusammenhang ihrer Delinquenz mit ihrer angestammten Religion zu erklären.  

Nach R. K. Merton kann aber auch bei Strafandrohung „Rückzug“ erfolgen. Er führt als Beispiel dafür „Autismus“, also die kindliche Schizophrenie an und ist damit fachlich besser als unsere heutigen Psychiater. Natürlich sind aber auch das Borderline-Syndrom und die Erwachsenenschizophrenie in den meisten Fällen kirchenbedingt. C. G. Jung schrieb seine Doktorarbeit über die Psychotherapie der Schizophrenie und stuft sie als erlebnisbedingt und damit als Neurose mit Rückzugsverhalten ein. Merton führt weiterhin „Landstreicher, Psychopathen, chronische Säufer und Süchtige“ an, die mit ihrem Verhalten eine Leidreduktion zu erreichen trachten. Hierher gehört auch die Adipositas der Kinder und der Erwachsenen mit der Folgeerkrankung Diabetes, psychosomatische Beschwerden und das ADS-Syndrom. Nietzsche und Max Scheler nennen als weitere Reaktionsweise das „Ressentiment“, das Auftreten diffuser „Gefühle von Hass, Neid und Feindseligkeit“.

 Erlittene Gewalt führt also zu autoaggressiver („endogener“) Depression und / oder zur Fremdaggression. Unsere postmoderne Leistungs- und Ellenbogengesellschaft ist zunehmend mehr an Gewinnmaximierung als an einer Fürsorge am Arbeitnehmer interessiert. Von Fürsorgemaximierung hört man selten etwas. Das Burn-out-Syndrom drückt die durch zunehmenden Druck der Arbeitgeber entstandene Depressivität aus, das Anzünden von Luxusautos in Hamburg die Fremdaggressivität. Die Wagen gehören meist Arbeitgebern und sind ja  vom Einsatz ihrer Arbeitnehmer mitfinanziert. In Zeiten dieser Gewinnmaximierung gewinnt der alte Satz wieder an Bedeutung, Reichtum sei Diebstahl.  Hier wird neben Geld auch Zufriedenheit und damit Gesundheit gestohlen. Wir müssen zurück zu Zeiten, wo wir wieder vernünftig miteinander umgehen. Das erklärte Ziel der Gewinnmaximierung bedeutet Gewalt – und das Anzünden von Luxuswagen ist es ebenfalls. 

Die Hartz-IV-Kritikerin Inge Hannemann wurde als Angestellte im Jobcenter von der Hamburger Sozialbehörde erst einmal „freigestellt“. Hannemann ist mit einem fabelhaften IQ  (über 140) ausgestattet, hat dadurch den Überblick, und muss deshalb aber auch Gegenwind und Leid aushalten. Sie weigerte sich, Langzeitarbeitslose mit den üblichen Sanktionen zu belegen, da diese schon am Minimum sind. Sie suchte stattdessen das Gespräch „beim Kaffee“. Das Hartz IV-System hält sie für unwürdig und teuer. Wirklich Arbeitsunwillige gebe es nur sehr wenige, drei von hundert vielleicht. Die Vermittlungsrate in feste, dauerhafte Jobs liege in Altona gerade einmal bei 1,7 %. Sie hat einen interessanten Blog: „altonabloggt“ (inge.hannemann2010@gmail.com). Sie lebt mit dem Ziel der Gewaltfreiheit.  Ein Jobcenter, das sich der Einsparungsmaximierung verschrieben hat, erzeugt Gegengewalt: Luxusautos brennen plötzlich.

Überhaupt das Kaffee-Trinken. Es ist ein uraltes Ritual, sich bei Fragen, Unstimmigkeiten und divergierenden Auffassungen persönlich zusammenzusetzen und gemeinsam etwas zu sich zu nehmen. Einen Friedenstee, eine Friedenspfeife, einen Friedenskuchen. Am Telefon oder per Brief geht das nicht. Der Friedenskaffee ist der Grundpfeiler unserer Demokratie, der freiheitlichen Grundordnung.

Radarturm zur rechtzeitigen Erfassung russischer Atomraketen

Breivic. Ein Massenmord aus Höllenangst

Ein zu allem entschlossener religiöser Attentäter ist praktisch nicht aufzuhalten.

Das Schlimmste, was der Menschheit überhaupt zustoßen konnte, ist ein derart gepredigtes „Christentum“ der Gewalt, wusste schon Nietzsche. Angst vor ewiger Folter, vor einem ewigen Scheiterhaufen, erzeugt unkontrollierbare Handlungen. So kann sich ein Mensch als Christ fühlen und doch einen Massenmord begehen, den er über seine Religion rechtfertigt. Er hat den „ewigen Zorn“ Gottes nur zeitlich etwas vorverlegt. Er kann meinen, damit kein Vergehen begangen, sondern dem Rachegott der Christen einen Gefallen getan zu haben. Das Beispiel des „Kreuzritters“ Breivic mit 77 Toten in Norwegen zeigt dieser Tage, was Gewalt bewirkt, wenn sie zur Basis einer Ethik wird. „Niemand kommt böse zur Welt“, meint dazu der Göteborger Autor Henning Mankell. Früher gab es das bei den Kreuzzügen. Papst Urban II. hatte im Jahr 1096 folgendes verfügt: Starb man als Kreuzritter bei dieser Art gewaltsamer kirchlicher Mission mit hunderttausenden Toten, kam man sogleich und ganz ohne Fegefeuer als Held und Beinahe-Heiliger in den Himmel.

 Kreuzritter kommen in den Himmel.

 Auch ohne Tod in Jerusalem seien die Sünden durch diesen „göttlichen Auftrag“ verbüßt. Eine derart wahnsinnig brutale und zweckentfremdete Dys-Religion, wie sie die heutige „christliche“ ist, wird immer zu Wahnsinn und zu wahnsinnigen Taten führen. Gewalt bewirkt Gewalt. Das ist uns allen bewusst. Ist Breivic ein Produkt seiner Gewaltkirche und im Grunde ein Angstkranker? Tatsächlich wies man ihn als zunächst Schuldunfähigen in eine Psychiatrie ein. Ein zweites Gutachterteam hielt ihn dann für verantwortlich für seien Taten. Was können Psychiater eigentlich? Würfeln sie? Breivic sagte aus, er sei ein Kreuzritter gegen den Islam, er sei ein Krieger im Krieg. Papst Urban II meint, Breivic kommt in den Himmel. Religiöse Eiferer morden mit reinem Gewissen. Was fällt uns auf? Konservativ-religiöse Inhalte bestimmen Breivics Denken. Als Kreuzritter kommt, so der Vatikan, Breivic unter Umgehung des Fegefeuers direkt in den Himmel, auch oder gerade, wenn er 77 Kinder getötet hat, um „ein Bollwerk gegen des Islam zu errichten“. Das hat ein unfehlbarer Stellvertreter Gottes bestimmt, zu dem unser Gott ja tatsächlich gesprochen haben wird. Auch zu Papst Benedikt spreche Gott, so der amtierende Papst. Wer es glaubt, wird selig. Ist das unbewusste Tatmotiv Breivics Angst gewesen, die größte Angst des Menschen, die ihn in seinen Taten unkontrollierbar macht bis hin zu unfassbar erscheinender Kriminalität, zu einer Anomie nach Durkheim? Musste er in seinen Augen, in seiner Selbstsicht ein Heiliger werden, um einer ewigen Hölle zu entkommen? Er stellt sich nach seiner Tat der Polizei, forderte für sich ein hartes Urteil und erwartet eine harte Strafe. Er begeht die Tat, um in lebenslanger Abgeschiedenheit leiden zu müssen, leiden zu können. Das beweist seine „Opferschaft“ und  es widerlegt seine „Täterschaft“. Denn das sind eindeutige neurotisch-masochistische Züge, und wie Sie, lieber Leser, jetzt wissen: Masochismus ist der Königsweg zur Höllenvermeidung. So sieht es wenigstens ein Erkrankter. Wenn die größte Angst im Spiel ist, wird jeder Mensch ohne eigene juristische Schuld unkontrollierbar. Ist die Kirche der eigentliche Täter des norwegischen Amoklaufes? Ja. Ist die Kirche Schuld am Extremismus bzw. am Rechtsextremismus? Auffällig war, dass Breivic sich mit dem Hitlergruß vom Gericht verabschiedete. Hat das Kreuz der Kirchen doch Haken? Nach Joh. 8,44 mögen wir das glauben. Wir, die Gruppe 49,  haben das zuständige Gericht (über die Norwegische Botschaft) über unsere Gedankengänge informiert. Die norwegischen Richter wurden übrigens angehalten, nicht auf die beratenden Psychiater zu hören, die wohl alle ein Urteil hatten (schuldig / unschuldig), aber sich nicht einig waren.  Man fällte das Urteil „schuldig“ wohl aus politischen Gründen. Das Volk wollte die Bestrafung eines Verbrechens. Das Urteil war politisch „richtig“, wissenschaftlich jedoch ein Fehlurteil. Man bringt nicht Kinder dutzendweise mit klarem Kopf um. Würden Sie ja auch nicht tun, liebe Leser. Nun, der auf Breivic wartende Verschluss unterschied sich nur in einem kleinen Schildchen, das man umdrehen konnte: Vorn drauf stand „Gefängnis“, hinten „geschlossene Psychiatrie“. Es war ein und derselbe Raum. Die Richter haben als Nichtpsychiater falsch entschieden.  Das Urteil war politisch.

 21 Jahre bekam ein 33-jähriger wegen eines Foltermordes im Sept. 2013 an seiner Freundin. Drei andere Freundinnen hatte er zuvor schwer misshandelt. Der Richter: „Ihr menschenverachtendes Frauenbild war Auslöser für die Tat.“ Natürlich befriedigt das Urteil unsere Rachegefühle. Billiger als 21 Jahre Knast ist allerdings eine rechtzeitige Psychotherapie. Aber die kann unsere Psychiatrie bei Verbrechern nicht leisten, weder zeitlich noch fachlich. 

Christentum ist leider auch eine Konfession, in der viele Gläubige aus lauter Gottangst heraus helfen, statt sich aus Einsicht und in Eigenverantwortung einfach christlich zu verhalten. Das Helfen beim Helfer-Syndrom (nach Wolfgang Schmidbauer) ist weniger, wie bislang behauptet, ein Machtgehabe selbstherrlicher Ärzte bzw. Helfer. Es ist vielmehr Ausdruck einer angstbedingten Zwangsneurose, die sich aus der uns allen bekannten Bergpredigt ableitet. „Jesus“ dort sinngemäß: Helfer kommen nicht in mein „höllisches Feuer“. Einfacher lässt sich eine Berufswahl bei Empfindlichen, und Psychiater sind empfindlich, nicht steuern: Helfen rettet sie vor der Hölle.

Wünschen wir uns also abschließend eine Psychiatrie, die keine Angst mehr hat vor den Mächtigen, sondern die Kraft dazu findet, dass sie hinterfragt und anzweifelt, dass sie darum verändernd und emanzipatorisch wirken und sich auch finanziell von der Gewalt predigenden und Gewalt erzeugenden Organisation Kirche unabhängig machen kann.