Der Trick mit dem Kreuz
Der Trick mit dem Kreuz / Realität und Symbol
Das Kreuz wird als das Zentrum der Kultur des Abendlandes bezeichnet. Wer an das Kreuz als das Evangelium, als die stellvertretende Sühne für unsere sogenannten Sünden, als die Rettung vor der Hölle glaubt, ist vor der Hölle gerettet. Das Evangelium muss auf diese Weise „angenommen“ werden, damit es wirksam wird, so das Dogma.
Wie es heißt, starb Jesus am Kreuz. Die Bibel behauptet Dinge, die heutzutage widerlegt und auch symbolisch nicht deutbar sind. So kann auch dieser Kreuzestod nicht bewiesen genannt werden. Er ist jedoch wahrscheinlich. Wer damals in eher ärmlicher Kleidung in Jerusalem auf einem Esel mit dem Anspruch einritt, er sei der neue König der Juden, wurde halt gekreuzigt. Das war normal. Bei uns in der BRD steht noch heute auf eine derartige Aktion „lebenslänglich“. Hochverrat nennt sich ein derartiger Akt. Der Schritt, den Jesus da mutig oder unbedacht tat, zog die Schritte seiner Verurteilung und seines Todes wie selbstverständlich und automatisch nach sich. Jesus hatte kein Beglaubigungsschreiben dabei. Man ist geteilter Meinung, ob er bewaffnet war. Er bringe Schwerter, sagt Bibeljesus in der Schrift.
Das Kreuz zeigt zunächst diese bekannte Holzkonstruktion und vielfach ist der gekreuzigte Christus an diese Holzkonstruktion angebracht, angenagelt. Das Kreuz mit angebrachtem Christus ist einmal etwas sehr realistisches und zeigt einen gerade zu Tode gefolterten Menschen. Es ist aus dieser Sicht also etwas furchtbares, Furcht erregendes und etwas sehr grausames. Für Kinder ist es kaum erträglich bis unerträglich. Sie halten sich beim Hören der Geschichte im Kindergarten und Kinder-Gottesdienst oft die Ohren zu, wenn sie denn dürfen. Als so beschriebene Realität wird das Kreuz von Menschen gesehen, die mitfühlender oder auch depressiver Stimmung fähig sind.
Ich halte das Kreuz zum Beispiel in Schulen für problematischer als ein Kopftuch einer muslimischen Lehrerin, welches primär mehr schützendes Kopftuch ist als ein direktes Abbild höchster Grausamkeit oder gar Ausdruck des Willens zu einer islamischen gewaltsamen Weltrevolution.
Wird das Kreuz dem Menschen als gesundem Kleinkind schon dargelegt, löst es später bei Betrachtungen zum Beispiel bei einem Erblicken des Kreuzes z. B. bei einer Wanderung durch die Alpen eine stille, ehrfürchtige Freude aus. Statt blanken Entsetzens wird also Freude empfunden. Wie kann es zu diesem Phänomen kommen, wie kann das Gegenteil des eigentlich vermuteten Gefühls empfunden werden, wie kann statt Panik und Horror Freude empfunden werden? Diese Frage sei nur für die äußerlich gesunden Menschen gestellt. Nur bei diesen kommt es zu diesen paradoxen Empfindungen. Depressive Menschen reagieren hingegen situationsangepasst.
Hier die Antwort des Analytikers: Beim ins Auge fassen eines Kreuzes ist der Gläubige zunächst kurz mit dem Gefühl seiner tiefen Schuld konfrontiert. Geistliche und Lehrer haben ihm als Kind in einer Phase mangelnder Kritikfähigkeit gesagt: „Jesus ist für dich gestorben zur Vergebung deiner Sünden“. „Lösegeld“ sei sein Leid gewesen, meint die Bibel (bei Matthäus). Ein Geld, das der unbarmherzige Vater vom Sohn verlangt habe. Das Kind denkt dabei zunächst an seine bereits begangenen Sünden, meist werden es Lappalien sein. Es wertet dann diese Sünden als groß und zwar so groß, dass dafür jemand am Kreuz einen Foltertod sterben musste zur Vergebung dieser Sünden. Die Sünde wird in ihrer negativen Bewertung also überhöht. Das vom Kind empfundene Schuldbewusstsein ist somit geschickt eingeredet.
Hinzu tritt eigenes tiefes Schuldgefühl der Kategorie B, den Foltertod Jesu praktisch in eigener Verantwortung mit verursacht, ja persönlich als Mörder mitbegangen zu haben. Der Geistliche macht im Gottesdienst keinen Unterschied zwischen Kind und Erwachsenem. Er kümmert sich nicht um §19 StGB, die Schuldunfähigkeit unserer Kleinen bis sie 14 Jahre alt sind. Kinder werden hier ebenso rücksichtslos in Kirchen behandelt wie wir Erwachsenen. Dabei wird von höchster Stelle (Papst Benedikt) der Sühnegedanke ad absurdum geführt, so verbreitet er auch sei. Er vermittele das Bild eines grausamen Gottes und er mache die „Botschaft von der Liebe Gottes unglaubwürdig“ (in Einführung in das Christentum“. Aber mit keinem Toten konnte und kann man so viel Angst- und Schuld-Geld verdienen wir mit Jesus. Und so lebt dieses Märchen weiter… Die Kollateralschäden nimmt man dabei als Amtskirche gerne in Form überfüllter Psychiatrien in Kauf, zumal man regelhaft Träger dieser Psychiatrien ist. Man produziert sich die Erkranken also selbst – analog eines Werkstattinhabers, der nachts die Autos in seiner Straße demoliert.
Rücksichtslos verbreitet die katholische Kirche auch folgende Story: Am „blutenden Antlitz Jesu in Cotonou“ habe man „Jesu“ Blutgruppe festgestellt. Am 15.3.1995 fing ein Arzt üppig fließendes Blut aus einen Bildnis Jesu auf. Jesu sei AB, Rh positiv. „Jesus“ spricht dazu im Internet zu unseren Kindern: „Betrachte mein blutendes Antlitz… Hast du Mitleid mit mir, wenn du mich so siehst? Ich tue es für dich“. Unter Google, Eingabe „Jesus Cotonou“, kann das blutüberströmte Antlitz angesehen werden. Und „Gott“ selber sagt uns dazu: „Das Heilige Antlitz wird eine wahre Opfergabe sein, damit die Strafen gemildert werden, die ich über die Menschheit kommen lasse… Je mehr es verbreitet wird, desto geringer wird die Katastrophe sein.“ Wo das Antlitz in einer Wohnung aufgehängt wird, werden „meine Kinder… vor den Übeln bewahrt werden“, so Gott angeblich persönlich. Unsere Kinder sollen sich also warm anziehen, wenn er als Rachegott der katholischen Kirche erscheint und seine apokalyptische Rache an ihnen nimmt. Hier wird stärkste Angst über unvorstellbaren Terror verbreitet. Unsere Kleinen werden hier missbraucht. Sie werden zum Objekt degradiert. An ihnen soll später ordentlich Angst- und Schuldgeld verdient werden.
Es folgt dann über Worte aus Lehrer- oder Geistlichenmund oder auch über Wahrnehmung von Gemälden und Bildern in Kirchen etc. die Darstellung der Möglichkeit einer Strafe fürs Kind. Ohne Vergebung lauert hier die Bestrafung für einen angeblich eigenhändig durchgeführten Foltermord am eigenen Gott. Jedem Kind ist deutlich, dass derartige Bestrafung Hölle bedeutet. Klar ist ihm, welche Qualen es dort geben soll und schon gibt. Heiß ist es in der Feuerhölle. Die Bibel sagt uns auch, wie heiß. Der Autor Deppe weiß es nicht genau. Er schwankt zwischen 50 und 6000 Grad. Kein Millimeter des Körpers werde von dem sengenden Schmerz des Feuers verschont! Das in sich gehen und die Stille bzw. Ehrfurcht beim Erblicken eines Kreuzes stammen von solchen Gefühlen.
Die Freude hingegen beim Wahrnehmen des Kruzifixes kommt von der in Aussicht gestellten eventuellen Vergebung dieser „immensen“ (eingeredeten) Schuld, falls bestimmte Richtlinien der Kirchen beachtet werden. Falls man sehr brav ist und bleibt. Bibeljesus verlangt eine Annahme der Schuld und ihre Bereuung. Er will angebetet werden, so grausam er auch ist. Er foltert ja immerhin schon heute in seiner Kochtopfhölle! So lehrt es uns die Heilige Faustine, die schon in Jesu Hölle den Foltern des Hobbykoches zuschaute, die schon einen Blick in seien Kochtopf werfen durfte. Die Freude entsteht durch die Hoffnung auf Vergebung einer ungeheuren, dem Kind allerdings nur eingeredeten Schuld. Es resultiert besonders auch bei Pastoren und Priestern eine unbegrenzte Dankbarkeit Jesus gegenüber, denn diese „immense“ Schuld trieb sie ja oft zum Arbeitgeber Kirche. Jegliche Jesuskritik muss verstummen, denn sie ist für viele, besonders auch für unsere sensiblen Psychiater, ein one-way-ticket zur Hölle. Ich lasse mir diese Fahrkarte übrigens nicht überreichen. Mir ist es in der Hölle entschieden zu heiß. Ich ziehe kühlere Gegenden vor. Norwegen soll so schön sein. Überhaupt die nordischen Länder!
Stellvertretend (!) für uns und natürlich auch für unsere Kinder sei Christus am Kreuz gestorben. Die Theologin Martina Kessler schreibt in ihrem Buch „suche dringend hilfe“, Bibel TV, 2008 über Jesus: „Er ist am Kreuz für uns gestorben. Auch das ist stellvertretend für uns passiert“. Hier setzt die in der Seelsorge für Erkrankte tätige Theologin ihren Patienten ein Gottesbild vor, wie es schlimmer nicht auszudenken ist. Durch Jesu stellvertretenden Tod sollen unsere Kleinen selbst knapp einem „verdienten“ Kreuzestod entgangen sein. Größere Dankbarkeit kann kaum durch einen anderen Schachzug erzeugt werden. Eugen Drewermann dazu: „Es (das Kreuz) sollte uns gewiss nicht überall aufgeprägt werden, wie ein Brandmal.“ Das bedeutet wohl sinngemäß: Es wird uns und unseren Kindern überall wie ein Brandmal aufgebürdet. Das Kreuz wird so zum seelischen Folterwerkzeug unserer Kirchen. Man brennt es uns ein und man brennt es leider auch unseren Kindern ein. Man brennt Schuldgefühle in ihre Seelen. So etwas ist schlicht Missbrauch. Das hat mit Religion nichts zu tun. Wie sehr uns das Kreuz dominiert, zeigt S. Dalis Bild „Der Christ vom heiligen Johannes vom Kreuz“. Hier ist das Kruzifix größer als die ganze Bucht von Port Lligat. Unsere Schuld ist größer als diese Bucht. So will es die Kirche. Am Kreuz, an dem Jesus hängend zu seinem Vater rief: „Warum hast Du mich verlassen?“, zeigt sich übrigens die Wesensungleichheit von Gott und Jesus. Die Ungleichheit hatte schon der Theologe Arius herausgestellt, nachdem sie Kaiser Konstantin 325 n. Chr. als dogmatischer Gedanke gekommen war. Wenn man ein Wesen mit dem Vater ist, muss man ihn nicht Dinge fragen, da man die Antworten weiß. Man muss nicht als Jesus im Garten Gethsemane zu einem Wesen beten, das man selbst ist. Schön sehen wir an diesem kleinen Beispiel, wie die Kirche unhaltbare Dogmen durch das Attribut „Heilig“ mit Erfolg etabliert und betoniert.
Zusammengefasst führt das Erblicken des Kreuzes beim Gesunden zu folgenden „Geschenken“, den größten Geschenken, die sich ein Mensch erdenken kann: Das Entkommen der Hölle, dem Entgehen des anscheinend verdienten persönlichen Kreuzestodes, der Hoffnung auf ein Paradies und eines Lebens in Ewigkeit. Hier wird also ausgesprochen kräftig unter Zuhilfenahme von Suggestion auf Menschen eingewirkt mit den massivsten aller denkbaren Mittel. Der Gläubige fühlt sich zu tiefster Dankbarkeit verpflichtet. Kritik zu äußern traut er sich jetzt nicht mehr, da ist er jetzt autistisch stumm gemacht.
Unser Glaube hat also neben der u. U. starken Bewirkung eines Schutzgefühles wie jedes „Medikament“ mit starker Wirkung aber auch starke Nebenwirkungen. Man könnte nun sagen, die positiven Effekte von Glaube würden ja überwiegen und man solle trotz der Kirchen-Opfer in den Psychiatrischen Kliniken alles beim alten lassen. Nebenwirkungen nehmen wir ja schließlich täglich in Kauf.
Aber: Es gibt den Satz, Religion sei Opium für das Volk. Diese Opiumart schädigt allerdings nun die phänomenologisch Gesunden. Und Opium hat, wie allseits bekannt, auch starke Langzeitnebenwirkungen. Beim Glaube ist es der Krieg. Kriege werden meist geführt, um Vormachtstellungen zu erhalten und auszubauen. Politiker, vornehmlich Machtmenschen, möchten ihre Macht vergrößern und andere Länder mit ihren Wirtschaftsgütern einnehmen oder Vormachtstellungen sichern. Sie haben fast alle einen guten Telefondraht zum Himmel und wissen angeblich genau über Gottes Willen Bescheid. Sie wissen auch, wie Massen zu mobilisieren sind, nämlich nicht über die Vorstellung, mehr Wirtschaftsgüter zu besitzen, sondern über weiter greifende Güter: Dem Entkommen der Hölle, dem Gewinn des Himmels und des ewigen Lebens. Darum ist Deutschland auch immer singend in Kriege gezogen. Gott zog ja mit und hatte mit mobil gemacht. Sein Segen lag auf den Kanonen. So glaubte man es wenigstens. Nach Auschwitz wissen wir: Gott mag gar keine Kriege. Von Haus aus ist Gott Pazifist. So gibt es im engeren Sinn gar keine Glaubenskriege. Kriege werden aus Machtgelüsten heraus geführt, zur Auslebung solcher und zur Verteidigung gegen solche. Aber Religion ist das beste Zugpferd und „legalisiert“ jeden Krieg. Sie „legalisiert“ auch die größten Grausamkeiten, da man im Krieg fleißig der Grausamkeit des eigenen „Gottes“ nacheifert und nacheifern „darf“. „Gott“ hat ja immer schon gern lebendig verbrannt und lebendig ertränkt. Das ging schon in Ordnung.
Eine besondere Art der Grausamkeit erreicht unser Bibelgott bei der Geschichte mit dem Kreuz. Der Foltertod des eigenen Sohnes war von Gott demnach geplant und sowohl Jesus als auch seine Mutter hatten Kenntnis dieser Planung. Durch den Foltertod sollte dann eine Sündenvergebung stattfinden. Von Lösegeld ist da die Rede. Das ist nun eine besondere Konstruktion, die ich erklären möchte. Es wäre ja humaner und einfacher gewesen, wenn Gott zum Beispiel die Sünden einfach so vergeben hätte ohne dieses Spektakel, sagen wir einfach so am 1. Mai im Jahre 32. Die Bibel–Erschaffer, und das gilt auch noch für heutige Kirchenleute, brauchten jedoch diesen spektakulären Foltertod, um die Schuld dafür jedem Christen schon im Kinderabendmahl und in ca. 150 geltenden Kirchenliedern zuschreiben zu können. „Für dich vergossen, zur Vergebung deiner Sünden“, heißt es. Geistliche brauchen des Christen ewige Dankbarkeit und stellten sie mit einem Taschenspielertrick her. Das ist gekonnt gemacht. Das ist Ausdruck einer Intelligenz, an die wir, lieber Leser, nicht herankommen.
Ich habe aber auch den begründeten Verdacht, dass Gott wegen seiner Grausamkeit besonders geliebt wird, wie auch Hitler wegen seiner Grausamkeit besonders geliebt wurde. Die Erbarmungslosigkeit der Herrscher, ob nun weltlich oder transzendental, wird registriert, verdrängt und dann geliebt, solange sie sich an andere wendet. Diese „Liebe“, die im Grunde Angst ist, schützt vor dem Aggressor. Das Fernsehen wird wegen und nicht trotz seiner Grausamkeit geliebt. Einschaltquoten und nicht etwa Programmdiktatur bestimmen das Programm. Das, was an den römischen Herrschern vom Volk geliebt wurde, war deren Härte bei den Gladiatorenkämpfen: Wenn der Daumen des Diktators nach unten ging, war das Volk kurz erschaudert und dann umso länger entzückt und so richtig glücklich. Ein maximal grausamer Herrscher kann natürlich auch maximal beschützen, so glaubt man. Er macht seine Untertanen maximal glücklich, besonders wenn er allmächtig genannt wird.
Wenn es dann so war, dass Christus als Kleinkind schon aufgeklärt wurde über sein Ende am Kreuz, so ist dies eine spezielle Grausamkeit, die ein Mensch nur mit einer Dauerdepression beantworten kann. Ein Lachen von Christus ist somit auch nicht überliefert. Man stelle sich für sich selbst vor, dass der eigene Tod am Kreuz unwiederbringlich feststehe. Es gibt solche Vorstellungen bei depressiv Kranken. Sie sind mit entsetzlichen Qualen verbunden.
Ich verweise auf eine offizielle Darstellung einer Situation im Leben Jesu: Rafaels „Madonna Alba“. Dieses Bild wird paradoxerweise als „Idyll im Rund“ bezeichnet, so in der Kunstzeitschrift „Art“ 1/83, Seite 130. Das Christuskind hält ein Kreuz in der Hand und schaut es an. Die Mutter hat einen Zeigefinger in einem Buch. Wahrscheinlich ist es die Bibel. Ich nehme an, Marias Finger liegt in der Textstelle, die die Kreuzigung Jesu vorwegnimmt und vorweg bestimmt. Man kann sich vorstellen, dass die Kindmutter gerade ihren Sohn aufgeklärt hat über die Art seines Endes. Auch nicht schön für Maria. Paradoxerweise schreit das Kind nicht vor Panik. Vorausgesetzt man hält die Bibelstellen für wahr, muss doch das Kreuz für Christus weniger Symbol als vor allen Dingen unerträgliche Realität gewesen sein. Warum dieses Kind nicht vor Entsetzen schreit, ist nicht zu begreifen.
Die Darstellung zeigt, wie paradox Christen mit dem Kreuz umgehen, wie realitätsentfernt sie sind. Das Kreuz als Kinderspielzeug darzustellen oder es sich als Schmuck modisch um den Hals zu hängen, ist einfacher, als es als Folterwerkzeug zu begreifen. Das Leben als schön zu sehen ist einfacher, als seine Realität zu registrieren. Das Kreuz als ein Symbol zu sehen ist einfacher, als seine Realität zu begreifen. Die Kirche behält sich die Macht vor, dem Gläubigen den Weg aus seiner Kreuzesschuld aufzuzeigen. Der Weg zur Vergebung geht sozusagen über die Kirche. „Ich lege Fürbitte für dich ein“, sagt der Geistliche dem von ihm zuvor künstlich zum Sünder gemachten Gläubigen oder auch „ich will dich segnen“. Gott braucht aber solche Dinge nicht. Sie stellen lediglich Machtinstrumente der Kirchen dar. Gott hört sich so etwas gar nicht an. Fürbitten dienen in der Sicht des naiv Gläubigen dazu, einen ausgedachten „Gott“ in einem ihm unterstellten Strafwahn milde zu stimmen. Nichts liegt Gott aber ferner als Strafe: Er ist doch die Liebe.
Wie radikal auch die nichtkatholische Kirche heute noch oder schon wieder ist, können Sie lesen in dem Büchlein „glauben heilt“ von Traugott Giesen, Pastor in Keitum auf Sylt, geb. 1940. Auf Seite 102 steht es auch für die Kinder geschrieben. Die können ja ab 7 Jahren lesen! „Die Leidensgeschichte kennzeichnet dich und mich als Mittäter an Jesu Kreuzigung….“ Im nächsten Satz ist schon von Folter an Jesus die Rede. Es ergibt sich also nach Giesen eine Mittäterschaft unserer Kleinen an einer Folterung. Nun, ich kann mich an eine solche Mittäterschaft meinerseits nicht erinnern. Ich hätte eine innere Abneigung, jemanden an ein Kreuz zu nageln. Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland lässt 1988 bekräftigen: „Wir glauben, dass Jesu Christus am Kreuz für uns gestorben ist…“ Das deutsche Strafrecht soll keine Mittäterschaft kennen. Sie ist in dem Sinn immer Täterschaft. In logischer Konsequenz habe ich Pastor Giesen wegen Mordes an Christus angezeigt. Es gehört sich nicht, in Deutschland jemanden an ein Kreuz zu schlagen. Die Staatsanwaltschaft Flensburg teilte mir mit, er sei unschuldig. Dann darf Giesen aber unseren Kindern und unseren seelisch Kranken ihre angebliche Täterschaft nicht unerlaubt in die kleinen oder größeren Schuhe schieben. Giesen erhielt also eine zweite Anzeige. Doch, er darf. Das teilte mir die Staatsanwaltschaft Hannover mit. Er darf Kinder über diese eingeredete Maximalschuld krank machen.
Die bekannte Schauspielerin Barbara Rütting schreibt in „Ich bin alt und das ist gut so“, dass man sie als siebenjähriges Mädchen mit einem Nervenzusammenbruch ins Bett gebracht habe. Sie habe als Kind „in einer Welt, in der Menschen so etwas tun, nicht leben“ wollen. Heute, so Rütting, hätte man sie vermutlich „mit Ritalin zugedröhnt“ und in eine „Sonderschule“ gesteckt. Das Kind mag auch auch deshalb zusammengebrochen sein, da ihm die volle Schuld für diesen Foltermord gegeben wurde: “ Für dich stellvertretend am Kreuz vergossen….“.
„So vergewaltigen sie unsere Kinder“, sagte mir ein aufgebrachter Hermannsburger zu diesem Thema, auch vor dem Hintergrund der jetzigen Berliner und Paderborner Missbrauchsskandale, bei denen sich ja religiöser und sexueller Missbrauch kombiniert: In der Zeitschrift DER SPIEGEL, Nr.6/8.2.10, berichtet P.R. über seine Qualen während Beichten. Er war einst Messdiener im Salvatorianer-Heim in Paderborn. Der Pater „…sagte, nur ein reiner Geist dürfe Gott dienen. Ich musste mich auf einen Stuhl setzen, der Pater verband mir mit seiner Stola die Augen, fesselte meine Hände… Er fragte mich nach meinen Sünden, und als ich solche bekannte, forderte er mich auf, zur Strafe den Mund zu öffnen und einen Essigschwamm darin aufzunehmen, wie ihn einst der Herr am Kreuze gereicht bekommen hätte.“ Nach dem folgenden Oralverkehr musste der Junge drei Vaterunser beten und sich den Mund auswaschen. Allein wegen dieser Grausamkeit ist der Zölibat aufzuheben! Triebabfuhr sollte anderswo möglich sein als im Mund unserer Kinder.
Der Maler Harald Duwe, gest. 1984, zeigt uns in seinem Werk „Mädchen mit Kruzifix“ ein offenbar sehr liebes Kind mit Herzen auf dem Kleid und mit einem überdimensionalen Kruzifix in den Händen. Es ist im Prinzip das Zeichen seiner überdimensierten Schuld. Das Kind mag seelisch krank sein, krank von dieser eingeredeten Schuld. Es verhält sich jedenfalls in seinem Lachen nicht der Situation angepasst. Im Hintergrund zeigt sich ein riesiger Kopf. Die Hand stopft sich etwas in den Mund. Symbolisiert dieser Hintergrund unsere schweigende konsumorientierte Gesellschaft, die schweigende Psychiatrie, die schweigenden Ärztekammern und schweigende Juristen?
Duwe ist ein bedeutender Maler banaler und radikaler Grausamkeit. Besuchen Sie ihn im Internet. In einem dortigen Bild sehen die Erwachsenen Alkohol trinkend fern, während ein Kind abgewendet mit einem Panzer Krieg spielt. Im Fernseher ein offenbar Toter mit einem Kind auf seinem Bauch. Auch dieses Kind mag schon tot sein.
Noch ein Wort zur Kunst. Auch die moderne Kunst ist oft mehr kirchenkonform als hochkritisch. Kirchenfenster werden heute von der Avantgarde ausgestaltet. Eine Ausnahme ist der österreichische Künstler Hermann Nitsch, der das Kindheitstrauma der Täterschaft an einer Kreuzigung wirklichkeitsnah und kritisch darstellt. Jede Kreuzigung ist Orgie. Eine Orgie der Gewalt. Was denken jedoch Kinder in unserer medienoffenen Gesellschaft bei derartigen Darstellungen, die in ihrem Sinn ja kaum von Erwachsenen verbalisiert werden können. Kinder sehen in den Bildern, was sie angeblich angerichtet haben. Sie sehen ihre „Schuld“ als „Täter“, die ihnen eingeredete Abendmahlsschuld nach dem Motto: „Er ist für dich gestorben, zur Vergebung deiner Sünden.“ Das nach dem geltenden Augsburger Bekenntnis (evangelisch) echte Fleisch des angeblich von ihnen selbst Getöteten bekommen sie zu essen und sein echtes Blut zu trinken. Das ist intelligent ersonnen. Ein Stückchen Kinderschokolade würde ihrer und Jesu Seele gewiss besser tun, als ein Stückchen Leib oder ein Schlückchen Blut des vom Kind angeblich selber ermordeten Gottes verdauen zu müssen. Hier wird eine „Maximalsünde“ in Echtheit inokuliert. Die Zigarettenpausen unserer Psychiater könnten durch die vorgeschlagene Kinderschokolade ausgedehnter werden. Sie hätten einfach viel mehr Zeit.
In meiner schriftlichen Kritik ignorierte mich meine Kirche konstant. Ich sei zu „komplex“, ließ mir mein Pastor ausrichten. Komplex sind jedoch nur die Vergehen der Kirchen. Diese sind, wenn sie zu seelischen Erkrankungen oder Suiziden unserer Mitmenschen führen, definitionsgemäß Verbrechen. Und die rechtliche Lage? Es hat und macht keinen Sinn für unsere Justiz, die „Verstöße“ der Kirchen zu bagatellisieren und damit abzutun, sie seien „sozialadäquat“. Grausamkeiten an Kindern zu begehen, sie zu Autisten zu machen und sie einen Holocaust (Sintflut) feiern zu lassen, ist in Deutschland niemals sozialadäquat. Die alleinige Lösung liegt in einer Amnestie für diese Dinge. Die Schuld der Kirchen ist einfach zu global und zu kollektiv. Man sollte die „Verstöße“ bis Ende 2016 nicht polizeilich verfolgen. Die Kirchen benötigen jetzt ganz einfach etwas Zeit.
Kinder im Dom sollen „begreifen“, was sie angerichtet haben…
Kinder im Museum sehen, was sie angerichtet haben…
Je blutiger, je grausamer, umso besser für die Amtskirchen…
Frank Sacco: Ausgrabung. Bedrucktes Papier auf Rost / Lack. 2014